Eine bewegende Ausstellung im Paul-Löbe-Haus

Am Montag, den 12.02.2024 hatte unsere Gedenk-AG die Möglichkeit, die Ausstellung über Kindertransporte nach Großbritannien zu besuchen. Dort werden ausgewählte Briefe von fünf jüdischen Familien präsentiert, deren Kinder vor dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und Polen nach Großbritannien gebracht wurden.

Die Ausstellung startet mit den berührenden Leitsätzen, die der Berliner Ferdinand Brann 1939 für seine Tochter Ursula niederschrieb. Dank des Kindertransports konnte Ursula dem nationalsozialistischen Deutschland entkommen und nach Großbritannien fliehen. Ferdinand wusste damals bereits, dass er seine Tochter nie wiedersehen würde. Leider konnten Ursulas Eltern und ihre ältere Schwester der nationalsozialistischen Verfolgung nicht entkommen und wurden in Auschwitz ermordet. Ohne den Kindertransport wäre Ursula wahrscheinlich dasselbe Schicksal widerfahren.

Der Kindertransport gilt bis heute als eine der ehrgeizigsten Rettungsaktionen, um jüdische Kinder vor Verfolgung zu schützen. Als Reaktion auf die antisemitische Gewalt der Novemberpogrome stimmte die britische Regierung einer Aktion zu, bei der von Dezember 1938 bis September 1939 mehr als 10.000 überwiegend jüdische Kinder nach Großbritannien gebracht wurden.

Nach ihrer Ankunft wurden die Kinder in Pflegefamilien, Wohnheimen und Schulen untergebracht. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beendete den Kindertransport und erschwerte die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern erheblich. Die Eltern bemühten sich oft vergeblich um eine Ausreise und viele überlebten den Holocaust nicht. Die Kinder mussten oft jahrelang auf Informationen über das Schicksal ihrer Eltern warten.

Die Ausstellung zeigt originale Briefe von jüdischen Familien, die einen Aspekt der schmerzhaften Trennung von Eltern und Kindern vermitteln. Beim Lesen dieser Briefe bekommt man Einblick in die zwiespältigen Emotionen der Eltern, die im NS-Staat zurückblieben und zwischen Hoffnung auf Wiedersehen und der Angst vor dauerhafter Trennung schwanken.

Mariella J.

Eine besondere Freude war, dass mit Lina S. eine ehemalige Schülerin der AG Gedenken die Ausstellung des Freundeskreises Yad Vashem mit konzipiert und die jetzige Generation der Bertha-Schüler*innen durch die Ausstellung geführt hat. Vielen Dank! L. Ihsen

Frau Friedländer, Sie sind toll. Sie sind einfach toll! - Maram Stern

6 Millionen Juden wurden während des Holocausts in Europa ermordet. Von denen, die den Holocaust überleben konnten, leben heute noch etwa 245.000 weltweit. Eine dieser Überlebenden ist Margot Friedlander.
Margot Friedländer wurde am 5. November 1921 als Margot Bendheim in Berlin geboren - heute ist sie 102 Jahre alt. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war sie 12 Jahre alt. Von da an änderte sich ihr Leben schlagartig. Margots Vater emigrierte schon früh nach Belgien, nahm seine Familie allerdings nicht mit
und machte auch keine Anstalten, sie bei einer Flucht aus dem Deutschen Reich zu unterstützen. Nachdem Margot, ihre Mutter und ihr Bruder Ralph auf einen Betrüger hereinfallen, der vorgab, ihnen eine Ausreise in die USA zu ermöglichen, hatte die Familie den Plan zu fliehen. Einen Tag vor der geplanten Abreise im Januar 1943, wurde Ralph von der Gestapo verhaftet. Margots Mutter folgte ihrem Sohn und stellte sich freiwillig der Gestapo; beide wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Margot konnte der Gestapo entkommen und lebte von nun an 1 ½ Jahre im Untergrund, wo sie von immer wechselnden Helferinnen und Helfern versteckt wurde, bis sie schließlich 1944 verhaftet und nach Theresienstadt deportiert wurde.
In Theresienstadt traf Margot Adolph Friedländer wieder, den sie bereits vom Kulturbund in Berlin kannte und der später ihr Ehemann werden sollte. Nach der Befreiung des Lagers wanderte das Ehepaar Friedländer nach New York aus, wo Margot die nächsten 64 Jahre verbringen würde. Nachdem Adolph Friedlander 1997 starb, fing Margot an, ihre Memoiren aufzuschreiben und fasste mit 88 Jahren den Entschluss, wieder in ihre Heimat Berlin zurückzukehren. Margot Friedlander hat es sich zur Aufgabe gemacht über das Erlebte zu sprechen, die Erinnerung an den Holocaust lebendig zu halten, um so zu verhindern, dass sich Geschichte jemals wiederholt, indem sie in Vergessenheit gerät.

Am 25.01.2024 durften wir mit der AG Gedenken bei einer Veranstaltung der #WeRemember Kampagne in der James Simon Galerie teilnehmen und konnten dort Margot Friedlander erleben.
Die erste Rede hielt Prof. Dr. Hermann Pratzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Er legte den Fokus auf die Wichtigkeit von Kunst in der Aufarbeitung des Holocausts. Ihm nach folgte Bettina
Stark-Watzinger -Bundesministerin für Bildung und Forschung-, welche betonte, wie wichtig Margot Friedlanders Engagement “gegen das Vergessen, gegen das dunkelste Kapitel unseres Landes und die Versöhnung, welche {sie} damit herbeiführt”, ist. Weiter appellierte Stark-Watzinger an alle Schüler*innen sich die Frage des Warum und Wie es zu so etwas schrecklichem wie dem Holocaust kommen konnte, immer wieder zustellen. Sie erzählte von ihrem Besuch in der Gedenk- und Bildungsstätte Yad Vashem, wo sie einen Satz von Kurt Tucholsky las: “Ein Land ist nicht nur das, was es macht, sondern auch das, was es toleriert.”
An diesen Satz knüpfte der nächste Redner, Maram Stern, Vizepräsident des World Jewish Congress, an. Er wurde 1945, als Sohn zweier Holocaust Überlebeneden, geboren. Stern hat es sich zur Aufgabe erklärt jungen Schüler*innen zu erklären, dass es “keinen Platz für Antisemitismus und Fremdenhass - egal gegen wen {gibt.} “Fremdenhass hat keinen Platz in Deutschland.” Und wir Schüler*innen ”müssen alles dafür tun, diesen Fremdenhass zu bekämpfen, darauf aufmerksam zu machen und nicht zu schweigen, denn das Schweigen ist das Schlimmste, was man machen kann.

Im Anschluss wurde der Film “Ich bin!” über Margot Friedlander gezeigt, dieser handelt von ihrem Leben während der Zeit des Nationalsozialismus. Es wird gezeigt, wie Margot sich versteckte, wie sie die Deportation ihrer Mutter und ihres Bruders erlebte, was für Gefühle sie die ganze Zeit über begleiteten, aber auch welche Menschen sie getroffen hat - die einen, die ihr halfen und andere, welche sie im Stich ließen.
Durch verschiedene Erzählungen in dem Film aus verschiedenen Lebensabschnitten von Margot Friedlander, bekommt der*die Zuschauer*in einem tiefen Einblicke in ihr Leben und die Entwicklung Deutschlands in dieser Zeit. Als Zuschauer*in ist man durch die biografische Verfilmung mit ihr verbunden, fühlt mit ihr mit und versetzt sich in ihre Lage hinein. Man fragt sich aber auch, wie hätte man selbst in so einer Situation gehandelt? Anfang zwanzig und auf einmal wird einem die Mutter und der Bruder aus dem Leben gerissen - von jetzt auf gleich- hätte man Mut gehabt, weiterzumachen, wenn man auf einmal alleine gewesen wäre? Hätte man verstanden, was passiert ist? Wie wäre man selbst damit umgegangen, wenn sich auf einmal die gesamte Welt gegen einen stellt - selbst die eigenen Verwandten und man von nun an alleine in
ständiger Gefahr leben muss? Gleichzeitig sieht man sich aber auch auf der anderen Seite der Gesellschaft - hätte man den Mut gehabt, Verfolgten zu helfen, hätte man sich angepasst? Wo hätten man gestanden?
Margot Friedländer hatte keine Wahl - ihre Kraft und den Mut, diese Willensstärke zu entwickeln, bezog sie auch aus den letzten Worten, die ihr ihre Mutter überbringen ließ: “Versuche, dein Leben zu machen.” Die wenigsten hatten das Glück untertauchen zu können und deshalb “ist {es für Margot Friedlander} das
Wichtigste, dass {sie} für die sprechen kann, nicht nur für die 6 Millionen Juden, sondern für alle Menschen, die man unschuldig ermordete.”

Dieses Anliegen betonte Margot Friedlander auch in der anschließenden Fragerunde. Immer wieder sagt sie, sie sei nach 64 Jahren in Amerika wieder nach Berlin gekommen, um uns “die Hand zu reichen, um mit {uns} zu sprechen.” Laut Margot Friedlander liegt alles in unserer Hand, alles was wir sein müssen sind
Menschen, “Menschen, die andere Menschen akzeptieren, unabhängig von ihrer Religion oder Herkunft.” Dieses “Mensch-Sein" müssen wir auch unbedingt an die nächsten Generationen weitergeben, um diese Welt zu einem erträglichen Ort zu machen und die Dankbarkeit, die sie von den Menschen für ihre Arbeit zurück bekomme, sei für sie ein wunderbares Geschenk. Auf die Frage, warum sie nach so vielen Jahren im Alter von 88 Jahren wieder zurück nach Berlin gekommen ist, antwortete Margot Friedlander, dass sie sich in
den USA nie richtig zuhause gefühlt habe. "Ich bin Berlinerin. Ich liebe Berlin. Ich bin hier geboren und ich bin unfassbar froh, in so einer schönen Stadt geboren und aufgewachsen zu sein.”
Gerade jetzt, mit dem zunehemenden Antisemitismus an vielen Orten dieser Welt und dem erstarken nationalistischer Ideen von Ausgrenzung vermeindlich Fremder, ist es einmal mehr wichtig, uns an die Geschichte der Margot Friedlander und der 6 Millionen Opfern des Holocausts zu erninnern. Eine
Zeit, die sich nie, nie wiederholen darf und vor allem niemals in Vergessenheit geraten darf.

Neva F.

Frauen im Widerstand - Stadtführung in Reinickendorf

Am 18. Dezember kam die AG Gedenken zum letzten Termin des Jahres 2023 zusammen. Diesmal blieben wir mit unserer Exkursion in unmittelbarer Nähe der Bertha: Mit Frau Schünke führte uns eine Historikerin auf die Spuren von Frauen im Widerstand während des Nationalsozialismus. Schwerpunkt der Führung war die Weiße Stadt.

Der Schwerpunkt der Führung lag auf dem Engagement von Frauen während des Nationalsozialismus, deren mutiger Einsatz nach 1945 häufig nicht ebenso gewürdigt wurde wie jener von Männern im Widerstand. Spannend waren die Informationen zu den Arbeiterinnen und ihren Solidaritätsgruppen für Betroffene des NS-Terrors. Darüber hinaus erfuhren wir vieles über den Widerstand in den Borsig-Werken, das herzzereißende Schicksal eines jungen Sinti und die Kontinuitäten der Diskriminierung nach 1945. Nur die Frage einer Anwohnerin konnte nicht beantwortet werden: Interessiert am Fenster lauschend, wollte sie von der Historikerin wissen, wann die Zentralheizung in ihrem Haus eingebaut wurde.

Vielen Dank an Frau Schünke für die interessante Führung!

L. Ihsen

Flashes of Memory - Besuch im Museum für Fotografie

Am 6. Dezember 2023 besuchte die AG Gedenken das Museum für Fotografie. Dort befindet sich zurzeit die Sonderausstellung „Flashes of Memory – Fotografie im Holocaust“ von Yad Vashem in Kooperation mit der Kunstbibliothek.

Der dreistündige Workshop mit dem Titel „Fotografie – Macht – Erinnern. Lichtbilder im Holocaust“ begann mit einer Kennenlernrunde rund um das Thema Fotografie. Während der intensiven Führung und der Arbeitsphase setzten wir uns mit Fotografien und Filmen von nationalsozialistischen Verbrechen auseinander und suchten Antworten auf die Frage: Wer hat diese aufgenommen? In welchen Situationen entstanden die Bilder? Welche Macht besitzen sie? Und inwiefern können sie als historische Quelle zu einem tieferen Verständnis des Holocaust beitragen? Ein Schwerpunkt der Arbeit war zudem die Frage nach der Perspektive und den Motiven von Tätern, Opfern und Befreiern. Gerade die Hervorhebung der Sichtweise der jüdischen Fotograf*innen in der Ausstellung betonte für uns eine Perspektive, die in sonstigen Darstellungen häufig fehlt, da die meisten zur Verfügung stehenden Fotos aus Täterhand stammen.

L. Ihsen

 

 

Ein Seitenblick der AG: Napoleon in der Diskussion

Am 22. November 2023 besuchte die AG Gedenken auf Einladung des Centre Marc Bloch das Cinéma Paris. Auch wenn die Thematik eigentlich nicht zu unserer AG Gedenken passt, nahmen wir die Chance zur Teilnahme an der Vorpremiere des Hollywoodfilms „Napoleon“ von Ridley Scott gerne an. So profitierten wir nicht nur von dem Einblick einen Tag vor dem weltweiten Kinostart, sondern besuchten im Anschluss auch die Debatte im Salle Boris Vian des Institut français zwei Stockwerke höher. Gestärkt nach der Begrüßung mit Getränken uns Snacks verfolgten einige Schüler*innen die Podiumsdiskussion zur historischen Einschätzung des Films. Diese wurde von den Historiker*innen Émilie Robbe, Prof. Dr. Daniel Schönpflug und Prof. Dr. Jakob Vogel anschaulich und mit einer Prise Humor geführt.

L. Ihsen

Eindrücke entnommen aus dem öffentlichen Auftritt des Centre Marc Bloch bei facebook:

Gedenken am 9. November

Auch im Jahr 2023 hat die AG Gedenken wieder aktiv an der Gestaltung der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938 am Rathaus Reinickendorf teilgenommen. Neben der Rede der Bezirksbürgermeisterin und musikalischer Untermalung durch Sabine Schmidt, die Bläserbeauftragte des Kirchenkreises Reinickendorf, hielt Mariella als Vertreterin der AG ebenfalls wieder einen Redebeitrag. Sie bezog sich in Ihrer Rede auf die brutale Verfolgung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten. Ein weiterer Schwerpunkt war die Vernichtung des Dorfes Lidice 1942 und die Erfahrungen, die im Rahmen der AG gesammelt wurden: Neben der Reise zur Gedenkveranstaltung nach Lidice sind hier insbesondere die Zeitzeugengespräche mit den Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg und Margot Friedländer im Gedächtnis geblieben. Mariella sprach zudem von der Bedrohung durch den zunehmenden Antisemitismus seit dem Angriff der Hamas auf Israel und verurteile populistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete von Vertreter*innen unterschiedlicher Parteien. Zum Abschluss legten die Anwesenden eine Rose am Blumenbeet für Lidice nieder, bevor eine Schweigeminute die Gedenkveranstaltung beendete.

Der Redetext findet sich unten.

L. Ihsen

Die Rede von Mariella:

Sehr geehrte Anwesende,

„Die Geschichte lehrt uns, dass diejenigen, die die Vergangenheit vergessen, dazu verdammt sind, sie zu wiederholen.“  Dieses Zitat von George Santayana stammt bereist aus dem Jahre 1905.

Warum setzen viele das Vertrauen wieder in Populisten und rechtsradikale Parteien - trotz der schmerzhaften Lehren der Geschichte? Haben wir schon vergessen, zu welchen Gräueltaten ebendiese Ausgrenzung und Hetze vor 90 Jahren schließlich geführt hat?

In den 1930er Jahren entstand eine gefährliche Kombination aus rassistischer Ideologie und Kriegsambitionen, die systematischen Terror und die Grundlage für fanatischen Antisemitismus als offizielle Staatsdoktrin schuf. Dieses Regime wurde von großen Teilen der deutschen Bevölkerung unterstützt, vor allem von treuen Anhängern der NS-Diktatur. Viele von ihnen setzten sich […] für die Enteignung, Ausgrenzung und Ermordung unschuldiger Menschen ein.

Die Pogromnacht vor etwa 85 Jahren markierte den Übergang von Diskriminierung zur brutalen Vertreibung der Juden. Von den Nationalsozialisten als “Reichskristallnacht” verharmlost. In dieser Nacht gab es gewalttätige Angriffe auf jüdische BürgerInnen, deren Geschäfte und Synagogen im gesamten Deutschen Reich. Über 1.300 Menschen wurden ermordet und mehr als 30.000 Jüdinnen und Juden verhaftet, 1.406 Gotteshäuser waren zerstört, und Tausende Geschäfte verwüstet. SS- und SA-Männer, NSDAP-Mitglieder und deutsche Zivilisten beteiligten sich an diesen Gräueltaten, die schließlich zum Holocaust führten.

Im Rahmen der Deportationen wurden zahlreiche Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager verschleppt, auch in das KZ Ravensbrück […]. Dies war ein Ort, an dem die Brutalität des NS-Regimes auf schreckliche Weise sichtbar wurde. Die Insassen - vor allem Frauen - lebten unter unmenschlichen Bedingungen.

Ein […] trauriges Beispiel war die Deportation von Bewohnerinnen aus dem Dorf Lidice in der Nähe von Prag im Juni 1942 nach Ravensbrück. Die Nationalsozialisten verübten grausame und willkürliche Rache nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich, obwohl es keine Beweise für eine Unterstützung der Attentäter auf den ranghohen Nationalsozialisten durch die DorfbewohnerInnen gab. Konnte es auch nicht, denn sie waren unschuldig. Alle Männer über 15 Jahre wurden erschossen, die Frauen ins KZ Ravensbrück gebracht. Die meisten Kinder wurden in den Gaskammern der Nationalsozialisten ermordet, wenige zur “Umerziehung” verschleppt.

Lidice wurde buchstäblich von der Landkarte getilgt. Das Dorf wurde nach dem Krieg in unmittelbarer Nähe wieder aufgebaut […], heute erinnert am ursprünglichen Ort ein grünes Tal an das Dorf, in dem einst gewöhnliche Menschen lebten. Ich habe in diesem Jahr bereits zum dritten Mal mit dem Arbeitskreis Politische Bildung dieses so friedlich daliegende Tal besucht, das einen erschütterndem Kontrast zur Gewalt gegen die unschuldigen Menschen darstellt.

Wir als AG Gedenken treten auch mit Holocaust-Überlebenden in Kontakt, um eine einzigartige und lebendige Verbindung zur Geschichte zu schaffen. So interviewten wir in diesem Jahr Margot Friedländer und Albrecht Weinberg.  

Margot Friedländer musste nach der Verhaftung und Deportation ihrer Mutter und ihres Bruders im Januar 1943 15 Monate im Untergrund leben, bevor sie nach Theresienstadt verschleppt wurde. Nach der Befreiung des Lagers im Frühjahr 1945 wanderte sie mit ihrem Ehemann in die USA aus und kehrte erst im Jahr 2010 im hohen Alter nach Berlin zurück, um ihre Geschichte an künftige Generationen weiterzugeben.

Albrecht Weinberg erlebte als Kind in den 1930er Jahren die Anfänge der Ausgrenzung und wurde später in Auschwitz und Bergen-Belsen interniert. Seine unglaubliche Überlebensgeschichte zeigt den ungebrochenen Willen eines Menschen, sich dem Grauen des Holocaust zu widersetzen. Er wanderte in die USA aus und kehrte erst im hohen Alter nach Ostfriesland zurück.

Diese beiden Schicksale verdeutlichen auf beeindruckende Weise die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes und unterstreichen die Wichtigkeit, die Erinnerung an die Schrecken des Nationalsozialismus zu bewahren, um sicherzustellen, dass sich solches Unrecht nie wiederholen kann.

Umso schlimmer wirkt das Massaker am 7. Oktober in Israel nach. Umso bedrohlicher ist der Anstieg der antisemitischen Vorfälle und Übergriffe im vergangenen Monat. Umso mehr dürfen wir NS-Verharmlosung und Antisemitismus nicht unwidersprochen lassen. Ebenso wenig populistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete. Ganz gleich, ob diese Diskriminierung auf der Straße, in den Medien oder durch Vertreter*innen unterschiedlicher Parteien geäußert wird.

Die Vorstellung, dass Menschen unterschiedlich viel wert sind, führte vor 90 Jahren zu unermesslichen Gräueltaten. Zu diesen gehört auch die Vernichtung des Dorfes Lidice. Wir müssen sicherstellen, dass dies nicht aus der kollektiven Erinnerung verbannt werden kann und wir aus der Vergangenheit gelernt haben.

Marguerite Lecoanet: Ein Video zur Person

Die AG Gedenken hat im 2. Halbjahr 2022/23 mit Hilfe von Quellen der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück ein Video erstellt, das sich mit dem Überleben im Konzentrationslager befasst. Dabei steht die Geschichte von Marguerite Lecoanet im Mittelpunkt. Sie war eine tapfere Frau, die trotz der schrecklichen Umstände das KZ überlebte.

Marguerite Lecoanet war eine französische Widerstandskämpferin und eine der Überlebenden des KZ Ravensbrück. Sie wurde am 06. Januar 1900 in Paris geboren und schloss sich während des Zweiten Weltkriegs der Résistance an, einer französischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung.

Sie wurde am 18. April 1944 ins KZ Ravensbrück deportiert und schaffte es sogar einen Brief aus der Dachluke des Tier-Waggons, indem man sie verschleppte, zu werfen, der gefunden wurde und bei ihrer Familie ankam. Im KZ wurde sie mit der Häftlingsnummer 35397 registriert und musste die Schrecken des Lagers erleiden. Trotz der unmenschlichen Bedingungen und der brutalen Behandlung durch die SS-Offiziere überlebte sie das Lager.

Das Video bietet einen Einblick in das Leben von Marguerite Lecoanet während ihrer Zeit im Konzentrationslager. Historische Aufnahmen und Dokumente lassen ihre Geschichte lebendig werden und zeigen ihre Entschlossenheit, ihren Zusammenhalt mit anderen Gefangenen und ihre nie versiegende Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Die Kooperation zwischen der AG Gedenken und der Gedenkstätte Ravensbrück unterstreicht die Bedeutung des Gedenkens an die Opfer des Holocausts. Indem wir die Geschichten von Überlebenden wie Marguerite Lecoanet teilen, erinnern wir uns nicht nur an die Schrecken der Vergangenheit, sondern auch daran, wie wichtig es ist, gegen Hass, Vorurteile und Diskriminierung einzustehen. Die Erinnerung an die Vergangenheit soll uns leiten und uns dazu inspirieren, eine bessere Zukunft zu schaffen.

Mariella J.

Die AG Gedenken in Lidice

Die AG Gedenken der Bertha ist auch im Jahr 2023 wieder nach Tschechien aufgebrochen, um an der Zeremonie zum Jahrestag der nationalsozialistischen Verbrechen in Lidice teilzunehmen. Dieses Mal haben wir die Exkursion etwas verkürzt, um die einmalige Gelegenheit des Treffens mit Margot Friedländer wahrnehmen zu können (Bericht siehe unten).

So fuhren wir erstmals mit dem Zug nach Prag, wo wir am Abend des 9. Juni von den Vertretern des Arbeitskreises Politische Bildung, Vergangen – Zukunft e.V. vor dem Hotel empfangen wurden. Am Samstag brachen wir nach dem Frühstück nach Lidice auf. Vor 81 Jahren hatten die Nationalsozialsten das Dorf umstellen lassen. In einem willkürlichen Vernichtungsakt wurden alle Jungen und Männer ab 15 Jahren erschossen, die Frauen in das deutsche Konzentrationslager Ravensbrück deportiert und der Großteil der Kinder vergast. Lidice selbst sollte von der Landkarte getilgt werden und steht heute symbolisch für das nationalsozialistische Terrorregime.

Die Zeremonie der Gedenkveranstaltung nahm den Vormittag ein. Nach den Ansprachen folgte eine lange Schlange von Botschaftsangehörigen der internationalen Gemeinschaft, Vereinen und Verbänden, die am ehemaligen Massengrab der Männer Kränze niederlegten. Gegen Mittag führte uns eine Vertreterin des Lidice Memory Vereins über das Gelände, auf dem früher das Dorf stand. Insbesondere das Denkmal der ermordeten Kinder bewegte die Mitglieder der AG.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen in Lidice folgte der freie Nachmittag samt touristischer Erkundung der wunderschönen Stadt Prag. Unser intensives Gedenkwochenende setzten wir am Sonntag fort. Nach dem Besuch des Museums der Gedenkstätte Lidice, trafen wir zum Mittagessen auf zwei überlebende Kinder des damaligen Terroraktes.

Vom Gespräch mit Margot Friedländer am Freitag in Berlin, über die Gedenkzeremonie am Samstag in Lidice bis zum Treffen mit den Überlebenden am Sonntag – Die AG Gedenken blickt auf ein intensives und bewegendes Wochenende zurück.

L. Ihsen

Margot Friedländer am Europäischen Gymnasium Bertha-von-Suttner

Am Freitag den 09.06.2023 hatten Schüler*innen der Jahrgänge 10 bis 12 des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner die einmalige Gelegenheit, mit der Holocaust-Überlebenden Magot Friedländer ins Gespräch zu treten. Ungefähr 200 von uns kamen in der Aula zusammen, um ihrer Geschichte beizuwohnen. Zunächst sahen wir ein Video einer ihrer vergangenen Lesungen. So erfuhren wir mehr über ihre persönliche Geschichte. Wir lernten, dass ihre Mutter und ihr Bruder im Januar 1943 verhaftet und deportiert wurden und sie daraufhin 15 Monate versteckt im Untergrund lebte, bevor sie gefasst und nach Theresienstadt verschleppt wurde. Nach der Befreiung des Lagers im Frühjahr 1945 wanderte sie mit ihrem Ehemann, den sie noch nach der Befreiung in Theresienstadt geheiratet hatte, in die USA aus. 2010 kehrte sie im hohen Alter nach Berlin zurück, um hier ihre Geschichte an künftige Generationen weiterzugeben.

Anschließend hatten wir die Möglichkeit, Frau Friedländer Fragen zu stellen, die wir vorher in der AG Gedenken vorbereitet hatten. Es war für uns ein einzigartiges Erlebnis, mit einer Person zu sprechen, die so viel unvorstellbares Leid erleben musste und überlebt hat. Besonders berührte uns ihre Aufforderung, Menschen zu sein und menschlich zu handeln. Zudem betonte sie die enorme Bedeutung der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus, damit sich derartiges Unrecht nie wiederholen kann.
Ein Bericht von Zoë K., Serhat A., Meret B. und Ole W.

Zeitzeugengespräch mit Albrecht Weinberg

Am 23.01.2023 fand ein Zeitzeugengespräch der AG Gedenken mit Albrecht Weinberg, einem der letzten Überlebenden des KZ Bergen-Belsen, statt. Ort der Veranstaltung war das Auswärtige Amt in Berlin Mitte.

Albrecht Weinberg verbrachte seine Kindheit in Rhauderfehn, Niedersachsen. Der 97-Jährige erinnert sich an den Beginn der Ausgrenzung in den 1930ern zurück. Von seinen Klassenkameraden marginalisiert und beschimpft, durfte er ab 1936 im Alter von 11 Jahren die Schule nicht mehr besuchen. Nachbarn und Freunde der Familie wurden zu Fremden. Albrecht ging zu Verwandten nach Leer, um dort eine jüdische Schule zu besuchen. Noch im selben Jahr musste er den Vornamen Israel annehmen und den Davidstern tragen. Nach dem 09.11.1938 fand er Zuflucht bei einer jüdischen Hilfsorganisation, die ihn auf einem Gut in der Nähe von Breslau unterbrachte. Die dort in der Landwirtschaft arbeitenden Jüdinnen und Juden wurden 1943 von der Gestapo über Berlin nach Auschwitz deportiert. Ursprünglich dachten sie, sie würden an die Front gebracht werden, um beim Ausheben von Schützengräben zu helfen.

Die Menschen seien dort gestorben, wie die Fliegen, so Albrecht, doch trotz schwerster körperlicher Arbeit überlebte er. Aufgrund der Frontverlagerung wurde das KZ Auschwitz evakuiert. Albrecht Weinberg und viele andere wurden gezwungen, in das KZ Bergen-Belsen zu marschieren. Ein Todesmarsch: Jene, die nicht mehr laufen konnten, wurden unbarmherzig erschossen.

Die Befreiung am 15. April 1945 erlebte Albrecht Weinberg mehr tot als lebendig, aber er erholte sich, und machte sich mit seiner Schwester Friedel auf die Suche nach überlebenden Verwandten. Ohne Erfolg. 1947 wanderten beide in die USA nach New York City aus. Erst im hohen Alter kehrte Albrecht nach Ostfriesland zurück.

Diese unglaubliche Lebensgeschichte sowie die Fragerunde im Anschluss war für uns sehr berührend. Der kurze Bericht über das Leben Albrecht Weinbergs wird dem eigentlichen Treffen in keiner Weise gerecht. Trotzdem möchten wir als AG Gedenken Herrn Weinberg unseren größten Respekt und unsere Dankbarkeit äußern, seine Geschichte mit uns geteilt zu haben.  

#WeRemember

Mariella J. (Fortsetzung unten)

Eröffnet wurde die Veranstaltung im Rahmen der #WeRemember Kampagne durch Grußworte des Auswärtigen Amtes, des World Jewish Congress, der Botschaft des Staates Israel und dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Albrecht Weinberg berichtete beinahe eine Stunde von seinem Leben und insbesondere seiner Jugend, in der er von den Nazis durch die Hölle gejagt wurde (er überlebte die Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora, Neuengamme und Bergen-Belsen). Für die AG Gedenken war es eine besondere Möglichkeit das Mikro zu ergreifen und in einem direkten Gespräch persönliche Fragen stellen zu können.

L. Ihsen

Exkursion der AG Gedenken nach Ravensbrück

Am Donnerstag, den 15.12.2022, besuchten wir, als AG Gedenken, das ehemalige KZ Ravensbrück. Die Temperatur lag in den Minusgeraden. Außerhalb Berlins hatte sich Schnee zentimeterhoch auf den Bürgersteigen gesammelt. Normalerweise ein Anlass zur Freude. Doch während der Führung erfuhren wir, dass InsassInnen des KZ Stundenlang in der Kälte ausharren mussten. Diese Eindrücke hält Marguerite Lecoanet neben vielen anderen erschütternden Erinnerungen an Ihre Zeit in Ravensbrück fest.

Die Erfahrungen, die die gebürtige Französin über ihre Haft schriftlich festhielt, sollen Grundlage eines weiteren deutsch-französischen Projekts der AG Gedenken werden (Ergebnisse unseres letztjährigen Prokjekts mit Schüler*innen aus Châtelleraut finden sich hier: http://femmesdeportees.ravensbrueck.de/franzoesisch-deutsche-begegnung/ ) In einem ersten Schritt näherte sich die AG in Gruppen dem Schicksal der Überlenden. Das Projekt wird 2023 fortgesetzt.

Mariella J., L. Ihsen

Exkursion zur Neuen Synagoge und die Frage nach dem Ende der Zeitzeugenschaft

Am Donnerstag, dem 1.12.2022, besuchten wir, die AG Gedenken, die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße. Ein Gebäude von herausragender Bedeutung für die Geschichte der Juden in Berlin. 1866 feierlich eingeweiht, 1938 von den Nationalsozialisten geschändet und nach einer langen Umbauphase wurde das gesamte Gebäude 2018 eröffnet.

Das Innenleben der Synagoge reflektiert die 150 Jahre Geschichte. Momentan beherbergt sie die Wanderausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“. Doch es scheint, als würde die Antwort von der Ausstellung selbst gegeben werden – Digitalisierung. Durch Filmaufnahmen, Schriftliche Überlieferungen und Interviews scheinen die Erinnerungen an die vergangene Zeit lebendig zu werden.

Die Frage: „Was passiert in dem Moment, wenn man nicht mehr mit Überlebenden sprechen kann?“ von Dietmar Süß, Experte für Neueste Geschichte an der Uni Augsburg, bleibt trotz aller Bemühungen ungeklärt.

Wie wird sich das Gedenken wohl entwickeln?

Von Mariella J.

Gedenken am 9. November

Auch in diesem Jahr wurde die AG Gedenken zur Eröffnung der Gedenkveranstaltung am Denkmal im Reinickendorfer Rathauspark von Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen begrüßt. Während er sich in seiner Ansprache insbesondere der Reichspogromnacht (hier auch mit dem konkreten Blick auf Reinickendorf) und der Verantwortung aller, sich gegen antidemokratische autoritäre Umtriebe zu wehren, auseinandersetzte, sprach unsere Schülerin Mariella auch über ihre Eindrücke von der AG-Fahrt nach Lidice. Neben ihren Gedanken zu den nationalsozialistischen Verbrechen, stellte Mariella Fragen, die die Anwesenden nachdenklich stimmten (der Wortlaut der Rede findet sich unten). Sie setzte dabei ein starkes Zeichen gegen das Vergessen.
Ich freue mich, dass sich auch in diesem Jahr wieder Schüler*innen mitten in der Klausurphase Zeit nehmen, um den Opfern zu gedenken. Interessante Gespräche ergaben sich im Anschluss über Gestaltung und Beteiligte der Gedenkveranstaltung. Schön, dass es im 10. Jahr der AG Gedenken an der Bertha weiter so viel Engagement der Schüler*innen gibt.

L. Ihsen

Mariellas Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

blicken wir zurück in das vergangene Jahr. Eine Krise jagte die Nächste. Pandemie, steigende Inflationsrate und Krieg, eine beispiellose Ansammlung an Herausforderungen, die unser aller Leben beeinflusst. Und doch stehen wir heute hier, um an die Gräueltaten eines totalitären Systems zu erinnern.

Wie wird das Gedenken wohl in acht weiteren Jahrzehnten aussehen?

Werden irgendwo auf der Welt Rosen niedergelegt, in Gedenken an die Kriegsverbrechen in Butscha?

Um der Opfer der Verbrechen von 1942 in Lidice nur ansatzweise gerecht zu werden, müssen wir uns die Umstände jener Taten vergegenwärtigen.

In den 1930er Jahren schuf die Verbindung aus Rassen- und Kriegsideologie systematischen Terror und die Voraussetzung für den fanatischen Antisemitismus als Staatsdoktrin. Hinter diesem Regime standen große Teile der deutschen Bevölkerung, meist treue Anhänger der NS-Diktatur. Viele setzten sich hasserfüllt für die Entrechtung, für die Ausgrenzung und für die Ermordung unschuldiger Menschen ein.

Der Übergang zwischen Diskriminierung und der forcierten Vertreibung der Juden markiert die Pogromnacht vor rund 84 Jahren. Von den Nationalsozialisten verharmlosend, auch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet. In der Nacht wurden im gesamten Deutschen Reich gewalttätige Übergriffe auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger und deren Geschäfte und Synagogen ausgeführt. In dieser Nacht und unmittelbar in Folge des Pogroms wurden mehr als 1.300 Menschen ermordet, über 30.000 Jüdinnen und Juden verhaftet, 1.406 Gottes- und Gemeindehäuser zerstört und mehrere Tausend Geschäfte verwüstet. An der Aktion beteiligten sich SS- und SA-Männer, NSDAP-Mitglieder und deutsche Zivilisten.

Im Rahmen der Deportation wurden viele Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager, wie später, ab 1939, zum Beispiel in das KZ Ravensbrück verschleppt. Ein Ort, an dem wir als AG Gedenken sahen, wie sich die Brutalität des NS-Regimes manifestierte. Die Insassen lebten dort unter menschenunwürdigsten Bedingungen, eingepfercht wie Tiere, ausgenutzt wie Sklaven.

Manche der Häftlinge kamen im Juni 1942 aus dem Dorf Lidice in der Nähe von Prag. Einem Dorf, an dem die Nationalsozialisten ein Exempel statuierten. Die Bewohner des Dorfes sollen angeblich die Attentäter von Reinhard Heydrich unterstützt haben. Aufgrund dessen wurde eine grausame Rache verübt, auch wenn es keine Beweise gab und es diese auch nicht geben konnte. Der Terror war ein reiner Willkürakt: Alle Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden erschossen, die Frauen in Konzentrationslager gebracht und die Kinder zur "Umerziehung" verschleppt. Viele starben in den Gaskammern der Konzentrationslager.  

Lidice wurde vom Erdboden getilgt. Zwar hat man das Dorf nach dem Krieg in unmittelbarer Nähe wieder aufgebaut, doch dort, wo ganz normale Menschen lebten, die sich nichts zu Schulden hatten kommen lassen, befindet sich heute ein grünes Tal. Mit der AG Gedenken haben wir an der Gedenkzeremonie zum 80. Jahrestag teilgenommen und dabei auch das Mahnmal der ermordeten Kinder von Lidice entdeckt.

Die Statuen der ermordeten Kinder des Dorfes, scheinen in eine ferne Zukunft zu blicken, doch keinesfalls so, wie es Kindern möglich sein sollte: Mit Zuversicht, Neugier und Zufriedenheit. Die Gesichter wirken stattdessen traurig, besorgt, verängstigt.

Mir als junger Mensch drängte sich bei Betrachtung der Statuen folgende Fragen auf:

Warum lernen wir nicht aus der Vergangenheit?

Wie kann es sein, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft weiterhin unter Diskriminierung und Vorurteilen leiden?

UND dass der Frieden bis heute nichts Selbstverständliches ist, es stattdessen Krieg in Europa gibt?

Wir haben uns heute hier versammelt, um der Intention der Nationalsozialisten ein Dorf aus der kollektiven Erinnerung zu verbannen, zu trotzen, um Lidice zu gedenken. Das Gedenken dient aber noch einem anderen Zweck:

zu zeigen, dass wir aus Fehlern der Vergangenheit für die ZUKUNFT lernen.

 

 

Fahrt der AG Gedenken nach Tschechien: 11.-13.06.2022

Nachdem die jährliche Fahrt nach Lidice in den vergangenen zwei Jahren pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, war es uns umso wichtiger, die heutige Gedenkstätte wieder besuchen zu können, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

Die Reise begann mit einem Besuch in der Gedenkstätte Theresienstadt. Die ursprünglich für Verteidigungszwecke gegen Angriffe aus dem Norden auf die böhmischen Kronländer erbaute Festung erhielt 1782 den Status einer Stadt. Die Kleine Festung, die Teil der Festungsanlage war, wurde in der Habsburger Monarchie als Gefängnis zur Bestrafung militärischer und politischer Gefangener bekannt. Hier konnten wir im Rahmen einer ca. zweistündigen Führung das dunkelste Kapitel der Stadt, während des Zweiten Weltkrieges, erkunden. Das unerbittliche NS-Regime eröffnete mit der „Endlösung der Judenfrage“ eine neue Ebene des systematischen Terrors. Zum Koordinator des Programms zur Vernichtung aller europäischen Juden wurde der Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) Reinhard Heydrich. In Theresienstadt, wo vor dem Krieg etwa 3 500 Soldaten und eine etwa ebenso große Zivilbevölkerung lebten, sollten nun 50 000 bis 60 000 jüdische Häftlinge interniert werden. Innerhalb von weniger als einem Jahr wurde die Hälfte dieser Zahl erreicht. Um allzu harsche Kritik im In- und Ausland vorzubeugen, schufen die Nationalsozialisten eine Illusion. Sie stellten das Lager als autonomes Gebiet dar, in dem Jüdinnen und Juden in Ruhe leben konnten. Die Kleine Festung wirkt nach außen wesentlich ansprechender, als beispielsweise die KZs Ravensbrück oder Sachsenhausen und wurde daher vom NS für Propagandafilme genutzt, die wir uns vor Ort ansahen.

Am Sonntag besuchten wir dann die Gedenkstätte in Lidice, ein Dorf, an dem das NS-Regime ein Exempel statuierte. Die Bewohner des Dorfes sollen angeblich den Attentätern von Reinhard Heydrich Asyl gewährt haben, was jedoch frei erfunden war. Aufgrund dessen wurde willkürliche und grausame Rache verübt. Alle Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden im Hof der Familie Horak erschossen, die Frauen in Konzentrationslager gebracht und die Kinder zur "Umerziehung" verschleppt. Viele starben in den Gaskammern der Konzentrationslager. Der Schrecken blieb über Jahre unbeachtet. Heute erinnert nur wenig an das damalige Dorf. Grundrisse der Schule sowie der dortigen Kirche wurden neu erbaut und die freigelegte Hofmauer der Familie Horak, an der vor 80 Jahren Matratzen lehnten, um Querschläger zu verhindern, waren zuerkennen. Die Intention der Nationalsozialisten war klar: Nicht nur sollte der Ort vom Erdboden getilgt werden, sondern auch aus der gemeinschaftlichen Erinnerung verbannt.

Nach der großen Gedenkzeremonie zum 80. Jahrestag des Massakers von Lidice lernten wir Prag kennen.

Am Abreisetag fuhren wir nochmals zur Gedenkstätte Lidice. Dort besuchten wir das Museum, in dem teils Überreste der ehemaligen Kirche, sowie bewegende Interviews mit den überlebenden Frauen und Kindern präsentiert werden. Zum Abschluss aßen wir in der Galeria Lidice zu Mittag.

Bericht: Mariella J., Fotos: L. Ihsen

Partizipative Lesung zum 27. Januar 2022

Donnerstag, 27. Januar 2022, 17.00 Uhr | Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus


Ravensbrück liest Ravensbrück.
„Ich bin allein in der Nacht.“
Der Zellenbau des KZ Ravensbrück im Spiegel von Selbstzeugnissen (1939-1945)

Corona schafft auch neue Traditionen. Pandemiebedingt hatte das Gedenken in Ravensbrück zum 27. Januar erstmals online im Rahmen einer partizipativen Lesung stattgefunden. Die diesjährige Lesung wurde den Erinnerungen und Selbstzeugnissen von Häftlingen und Überlebenden an das Gefängnis des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück gewidmet. Wie im vergangenen Jahr nahmen auch im Januar 2022 wieder Schüler*innen der AG Gedenken aktiv teil.
Das Arrestgebäude, lagerzeitlich „Zellenbau“ oder „Bunker“ genannt, sollte ursprünglich am Eingang zum sog. Schutzhaftlager errichtet werden. Dieses Bauvorhaben wurde von der SS vermutlich aufgrund der steigenden Häftlingszahlen aufgegeben. Ab Oktober 1939 wurde ein Gebäude mit 78 Zellen errichtet. Wie viele Frauen und Männer in den Folgejahren bis zur Befreiung dort inhaftiert waren, ist nicht bekannt. In der Lesung wurde ihren Erinnerungen nachgegangen: Wer war hier gefangen? Wie waren ihre Haftbedingungen? Wie konnten sie, „allein in der Nacht“, wie Geneviève de Gaulle-Anthonioz schrieb, überleben? Die Lesung fand in deutscher Sprache mit kurzen Sequenzen in Französisch, Niederländisch, Polnisch und Englisch statt.

Online-Treffen zum Deutsch-Französischen Tag

Die AG Gedenken - verstärkt durch Schüler*innen der 10f und des Leistungskurses, traf sich mit einer französischen Klasse aus Châtelleraut. Zum Einstieg ging es um Clichés ... Die Frage, woran die Jugendlichen spontan denken, wenn sie zu ihrem Nachbarland gefragt werden, ergab eine Wortwolke voller kulinarischer und historischer Bezüge, aber auch so einige Automarken.

So wurde der deutsch-französische Tag auch im Januar 2022 vor allem im Unterricht thematisiert. Ein Highlight war sicherlich das deutsch-französische Treffen - online. Die AG Gedenken - verstärkt durch Schüler*innen der 10f und des Leistungskurses, traf sich mit einer französischen Klasse aus Châtelleraut. Zum Einstieg ging es um Clichés ... Die Frage, woran die Jugendlichen spontan denken, wenn sie zu ihrem Nachbarland gefragt werden, ergab obige Wortwolke.

Die AG Gedenken der Bertha arbeitet seit Herbst 2021 durch die Vermittlung der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück mit der Schulgruppe aus Châtelleraut zusammen (Bericht siehe unten). Unser Treffen online im Rahmen des deutsch-französischen Tages hatte aber vor allem einen geselligen Charakter. So tauschten sich die Schüler*innen in deutsch-französischen Breakout-Rooms über ihre Familien, Freunde, Hobbies, Träume und Ziele aus. Schön, dass soetwas in Zeiten von Corona möglich ist!

Gedenken am 9. November

Nachdem die Gedenkveranstaltung zum 9. November im Jahr 2020 pandemiebedingt nicht öffentlich war, trafen sich  im November 2021 wieder Schülerinnen und Schüler der AG Gedenken am Rathaus Reinickendorf, um gemeinsam mit Politiker*innen, Mitgliedern des Arbeitskreises für politische Bildung und anderen Interessierten an die Opfer des Nationalsozialismus im Allgemeinen und der Reichspogromnacht sowie der Vernichtung des Dorfes Lidice in Tschechien im Besonderen zu gedenken. Mariella, eine Schülerin des 10. Jahrgangs, hielt eine Rede zu diesem Anlass. Die Rede ist bewegend und macht auch für die Zukunft deutlich: Niemals vergessen! Die Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zwischen dem 17. März 2020 und dem 17. März 2021 erfasste der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus, 561 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Corona. Bei ca. 58 Prozent sei es um antisemitische Äußerungen auf Demos und Versammlungen gegangen. Fast 23 Prozent der Vorfälle seien online passiert. "Trotz der Abwesenheit unmittelbarer Gewaltvorfälle handelt es sich bei diesen Vorfällen doch häufig um Situationen, die von Angesicht zu Angesicht stattfanden und konkrete Betroffene hatten", heißt es in der Studie. Die polizeiliche Kriminalstatistik weise im Kontext mit Corona-Protesten 225 antisemitisch motivierte Straftaten auf.

Dieser offene Antisemitismus unterstreicht deutlich die noch in der Gesellschaft etablierten judenfeindlichen Strömungen, die sich nicht auf antidemokratische Weltanschauungen beschränken lassen. Der Direktor des American Jewish Committee Berlin Ramer Institut, Remko Leemhuis, erinnert daran, dass staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht als "notwendige Regelungen zum Gesundheitsschutz" begriffen worden seien, sondern als "Verschwörung einer im geheimen agierenden Elite, die damit finanzielle oder politische Ziele erreichen wollte".  

Es handelt sich um ein uraltes Stereotyp,  dass ohne die offene Nennung des Wortes Jude als antisemitisch verstanden werden muss. Es sind für uns alle bekannte Worte, die so häufig vom Nationalsozialismus, der in den 1930ern das Weltbild vieler Menschen vergiftete, verwendet wurden.

Die 30er Jahre waren in Deutschland bewegte Zeiten, die erste deutsche Demokratie wurde durch die Machtübernahme Adolf Hitlers beendet und eine Diktatur errichtet. Deutschland änderte seine politische Ordnung grundlegend: Der, von den Nationalsozialisten verhassten Pluralität der Weimarer Republik wurde die vermeintliche arische Volksgemeinschaft entgegengestellt. Dabei ging es um die Bekämpfung und Vernichtung der Menschen, die von der NS-Ideologie ausgegrenzt und entrechtet wurden.

Die unerbittliche Verbindung aus Rassen- und Kriegsideologie schuf systematischen Terror und die Voraussetzung für den fanatischen Antisemitismus als Staatsdoktrin. Doch eigentlich übten 44% der deutschen  Bevölkerung, die NSDAP und nicht zuletzt treue Anhänger der NS-Diktatur, systematischen Terror aus und setzten sich hasserfüllt für die Entrechtung, für die Ausgrenzung und für die Ermordung unschuldiger Menschen ein.

Der Übergang zwischen Diskriminierung und der forcierten Vertreibung der Juden markiert die Pogromnacht vor rund 83 Jahren. Von den Nationalsozialisten verharmlost, auch als Reichskristallnacht bezeichnet. In der Nacht wurden im gesamten Deutschen Reich gewalttätige Übergriffe auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger und deren Geschäfte und Synagogen ausgeführt. In dieser Nacht und unmittelbar in Folge des Pogroms wurden mehr als 1.300 Menschen ermordet, über 30.000 Jüdinnen und Juden verhaftet, 1.406 Gottes- und Gemeindehäuser zerstört und mehrere Tausend Geschäfte verwüstet. An der Aktion beteiligten sich SS- und SA-Männer, NSDAP-Mitglieder und deutsche Zivilisten.

Die Zeitzeugin, Frau Dr. Else Loos, mit der ich mich häufig über den NS unterhalte, berichtete über diese Zeit. Für sie wurde die heile Welt, in der sie lebte nach dem 9.11. hinter einem schier undurchdringlichen Schleier verborgen. Ja, für sie wurde die Normalität unwiderruflich zerstört.

In versiegelten Güterwaggons ohne Lüftungsöffnungen, in denen sie weder Wasser noch Nahrung erhielten, wurden verhaftete Jüdinnen und Juden zu den Konzentrationslagern deportiert. Die Fahrt dauerte häufig mehrere Tage und forderte zahlreiche Opfer. Die Endstationen waren Konzentrationslager, wie zum Beispiel das KZ Ravensbrück, welches wir als AG kürzlich besuchen durften. Ein Ort, an dem sich die Brutalität des NS-Regimes manifestierte. Die Insassen lebten dort unter menschenunwürdigsten Bedingungen, eingepfercht wie Tiere, ausgenutzt wie Sklaven. 

Manche der Insassinnen kamen im Juni 1942 aus dem Dorf Lidice in der Nähe von Prag. Einem Dorf, an dem der NS ein Exempel statuierte. Die Bewohner des Dorfes sollen angeblich den Attentätern von Reinhard Heydrich Asyl gewährt haben. Aufgrund dessen wurde eine grausame Rache verübt. Alle Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden erschossen, die Frauen in Konzentrationslager gebracht und die Kinder zur "Umerziehung" verschleppt. Viele starben in den Gaskammern der Konzentrationslager. Der Schrecken blieb über Jahre unbeachtet.

Dieses Schicksal teilten viele Opfer des Nationalsozialismus, sie verloren ihre Rechte, ihre Stimme und letztlich ihre Geschichte. Aus diesem Grund haben wir als AG und die Stolperstein-Initiative Pankow im vergangenen Sommer mit dem Stolperstein für Lucie Juliusburger, versucht, ihr ihre Stimme wiederzugeben. Mit der Verlegung des Stolpersteins wollen wir verdeutlichen, dass die Gräueltaten des Nationalsozialismus nicht nur in die Geschichtsbücher gehören, wir wollen die Menschen gedanklich über das Schicksal der Opfer stolpern lassen und zu einem verantwortungsvollen Handeln aufrufen. 

Ein Teil der Verantwortung ruht auf unseren Schultern. Neben uns das Rosenbeet mit 50 Rosenstöcken aus Lidice. Eingeweiht wurde es 1995 unter anderem durch überlebende Kinder und Frauen. Lassen wir ihre Opfer nicht sinnlos sein. Für sie und für eine humanistische Zukunft dürfen wir nicht vergessen.

 

Deutsch-Französisches Projekt in Ravensbrück

Die AG Gedenken der Bertha arbeitet seit Herbst 2021 durch die Vermittlung der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück mit einer Schulgruppe aus Châtelleraut zusammen. Die französischen Jugendlichen forschen in Archiven zu Frauen, die während der nationalsozialistischen Herrschaft nach Ravensbrück deportiert wurden. Die AG hat die Gedenkstätte besucht und sie durch eigene Fotos und Texte auf deutsch und französisch in einer digitalen Ausstellung zusammengefasst, damit die Jugendlichen aus Châtelleraut einen individuellen Einblick des Ortes bekommen. Die Arbeit vor Ort war intensiv und wurde nach einem individuellen Zugang durch unseren Teamer umfassend inhaltlich begleitet.

Stolpersteine für Familie Juliusburger

Erstmals haben die Schüler*innen der AG Gedenken an einem Projekt zur Verlegung von Stolpersteinen teilgenommen. Vor Beginn der Pandemie war eigentlich sogar die Entwicklung einer Ausstellung geplant, jedoch war dies aufgrund des Homeschoolings und der Abstandsregeln mit Schüler*innen aus verschiedenen Jahrgängen und Klassen nicht möglich. Sobald es die Hygieneregeln zuließen, traf sich die AG im Hof der Bertha und studierte Quellen der Familien Juliusburger, Jastrow, Lindstädt und Cohn.

Die Materialien wurden von den Initiativgruppen Pankow und Prenzlauer Berg zur Verfügung gestellt, die auch zur Unterstützung zu einem AG-Treffen in die Schule kamen. Zur öffentlichen Verlegung der Stolpersteine in der Pankower Pradelstraße bereiteten die Schüler*innen unterschiedliche Wortbeiträge vor: So wurde das Leben von Lucie Juliusburger nachgezeichnet und das System der NS-Zwangsarbeit dargelegt. Um den Opfern des NS-Regimes eine Stimme zu geben, wurden Zitate von Verfolgten des Nationalsozialismus vorgetragen.

Wortbeiträge der Schüler*innen:

Die Erinnerung an vergangene Ereignisse ist in unserer heutigen Gesellschaft ein immer wiederkehrendes und wichtiges Thema. Die Bedeutung des Gedenkens wird dabei beispielsweise durch die Präsenz von Politiker*innen oder andere Prominente an Gedenktagen verdeutlicht, aber auch an der Darstellung in den Medien und der Aufarbeitung durch Menschen, die sich ehrenamtlich und in ihrer Freizeit zum Beispiel in Stolperstein-Initiativen engagieren. Gleichzeitig führt diese scheinbar ständige Präsenz aber auch dazu, dass man des Öfteren Sätze wie „Haben wir damit jetzt nicht mal langsam abgeschlossen?” oder „Nicht schon wieder dieses Thema!“ hört. Solche Aussagen fallen auch oft in Verbindung mit dem Erinnern an die Verbrechen der Nationalsozialisten und werden auch durch Jugendliche geäußert.

Dennoch ist das Gedenken an die Vernichtung der Jüdinnen und Juden im Dritten Reich wichtig für unsere Gesellschaft. Durch die Erinnerung an den Holocaust wird nämlich eine Präsenz des Themas in der Gesellschaft geschaffen, die die Menschen zum Nachdenken und verantwortungsvollen Handeln bringen und dafür sorgen soll, dass sich ähnliche Taten nie mehr wiederholen können. Auch kann und sollte diese Präsenz dazu beitragen, dass antisemitisches und rassistisches Gedankengut keine Wurzeln schlagen kann. Gerade in Zeiten, in denen nationalistische und geschichtsrevisionistische Kräfte in der Politik vieler Länder Auftrieb erfahren. 

Mit der heutigen Verlegung des Stolpersteins möchten wir zu diesem bewussten Denken und Handeln beitragen. So beschreibt die Stolpersteine Initiative München, welche nur eine von vielen Initiativen in Deutschland darstellt, die Begegnung mit einem solchen Stein folgendermaßen:

Ein Blinken und Blitzen im Bürgersteig – man bleibt stehen, bückt sich, liest einen oder mehrere Namen, die Geburts- und Todesdaten einer Frau, eines Mannes oder Kindes. Man hält inne, für einige Augenblicke spürt man ein Entsetzen, bis der Verstand es erfasst: Während der Nazizeit sind aus diesem Haus Bewohner verschleppt worden. Es sind keine anonymen Zahlen, es wird an das individuelle Schicksal erinnert. Nur wenige kamen zurück, die meisten wurden in Konzentrationslagern ermordet.“ 

Mit diesen STOLPERsteinen soll also ein gedankliches und emotionales Stolpern der Passant*innen bewirkt werden. 

Stolpersteine als eine Form des Erinnerns bilden so zum einen kleine, aber zahlreiche Mahnmale in der Öffentlichkeit, und geben gleichzeitig den unzähligen Opfern des Nationalsozialismus Ihre Namen zurück. Statt Zahlen in einer Statistik wird so an individuelle Schicksale, wie beispielsweise das von Lucie Juliusburger erinnert. 

Sie wurde, wie so viele Menschen, von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet. Leider haben wir keine Aufzeichnungen von Lucie Juliusburger und können somit nicht ihre persönlichen Gedanken teilen. Dafür möchten wir Ihnen Zitate von anderen Verfolgten des Nazi-Regimes vorstellen. Von Menschen, die entrechtet, anonymisiert und ermordet wurden. Teilweise sind dies Erinnerungen von Überlebenden, oder aber gefundene Schriftstücke von Ermordeten. Dadurch, dass diese Menschen ein ähnliches Schicksal wie Lucie erfahren haben, möchten wir IHR durch sie eine Stimme geben.

Lucie Juliusburger wurde, wie so viele Menschen, von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet. Leider haben wir keine Aufzeichnungen von Lucie Juliusburger und können somit nicht ihre persönlichen Gedanken teilen. Dafür möchten wir Ihnen Zitate von anderen Verfolgten des Nazi-Regimes vorstellen. Von Menschen, die entrechtet, anonymisiert und ermordet wurden. Teilweise sind dies Erinnerungen von Überlebenden, oder aber gefundene Schriftstücke von Ermordeten. Dadurch, dass diese Menschen ein ähnliches Schicksal wie Lucie erfahren haben, möchten wir IHR durch sie eine Stimme geben.

Juden sollte in der NS-Zeit ihre Individualität genommen und sie sollten entmenschlicht werden. Zunächst wurden sie verpflichtet zusätzlich den Vornamen Sara bzw. Israel zu führen. Im Konzentrationslager hatten sie dann keine Namen mehr, sondern sie waren nur noch Nummern. 

Wie wichtig es war, dieser Entmenschlichung entgegenzuwirken, zeigen folgende Zitate:

 

Fanja Barbakov schrieb an einen unbekannten Empfänger, wahrscheinlich ein Freund der Familie:

"Wir liegen alle in einer Grube. Ich bin stolz, denn ich bin eine Jüdin. Ich sterbe für mein Volk" 

SIe ließ sich den Stolz nicht nehmen, auch wenn sie bald sterben würde. 

 

Moschia schrieb an einen unbekannten Empfänger:

"Unser Ende kommt immer näher. Wir spüren und wir wissen das. Wir sind keine Menschen mehr, wir sind Tiere. Wir haben jedes menschliche Gefühl verloren."

Man spürt die Hoffnungslosigkeit und die Verzweifelung in dem Brief: Das Wissen, sterben zu müssen und der Verlust dessen, was uns als Mensch ausmacht.

 

Diesen Brief schrieb Sarah Gerlitz an ihre Tochter Dita. Sie ließ ihre Tochter bei einem Freund, um sie zu retten. In dem Brief möchte sie ihrer Tochter erklären, weswegen sie ohne Mutter aufwächst und warum sie sich als Mutter so entschieden hat:

"Ich möchte, dass Du noch etwas weißt, nämlich, dass Deine Mutter ein aufrechter Mensch war, trotz aller Erniedrigungen, die unsere Feinde auf uns herabgelassen haben, und wenn wir sterben müssen, wird sie sterben ohne zu verurteilen, ohne zu weinen, sondern wird ein Lächeln der Verachtung gegen ihre Henker auf ihren Lippen tragen"

 

Auch Lucie war von dem NS-Gesetz zum Tragen des zusätzlichen Namens betroffen, wie wir den Deportationslisten entnehmen können. Hier wird sie als Lucie Sara Juliusburger geführt. Die Auswirkungen dieses Gesetzes zeigen die folgenden Zitate.

Hedwig Jastrow, eine deutsche Lehrerin jüdischen Glaubens beging Selbstmord, um der Zwangsumbenennung zu entgehen. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie: 

"Ich will nicht leben ohne Vaterland, ohne Heimat, ohne Bürgerrecht, geächtet und beschimpft. Und ich will begraben werden mit dem Namen, den meine Eltern mir gegeben und teils vererbt haben und auf dem kein Makel haftet. Ich will nicht warten, bis ihm ein Schandmal angehängt wird."

 

Eine politische Gefangene aus Polen, die in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, sagt:”Ich wünsche euch, dass ihr immer eure Namen behalten dürft und nicht zu einer  Nummer werdet”

 

Lucies Bruder Kurt gelang die Emigration. Für jene, für die es überhaupt noch möglich war, mehr oder weniger frei über eine Auswanderung zu entscheiden, war dies ein schwerer Prozess.  So erinnert sich z.B. Yitzhak Schwersenz an die schwierige Emigration:

"Die Alten, das heißt Eltern, Verwandte waren der Meinung, "Nein, wir bleiben hier, das ist unsere Heimat, das ist unser Vaterland" "Ich kämpfte für unser deutsches Vaterland, mein Kind" regte sich mein Vater "Wir bleiben hier", sodass ein großer Teil gar nicht die Absicht hatte und daran dachte zu gehen. ... Oder wie mein Vater den Ausdruck gebrauchte, er wird sich bald das Genick brechen und einen dummen Satz, wie er sagte "die Welt wird das nicht zulassen... Was lässt die Welt nicht alles zu. Wer ist die Welt. Was ist die Welt."

Doch wieso ist Gedenken nun eigentlich, für alle, aber auch spezifisch für unsere Generation, so wichtig? Diese Frage wollen wir nun noch klären.

Menschen erinnern sich an Ereignisse, damit diese nicht in Vergessenheit geraten. Man muss jedoch auch dazu bereit sein, Verantwortung für vergangene Ereignisse zu übernehmen. Es ist gerade für unsere jüngere Generation wichtig, sich mit Themen wie dem Nationalsozialismus und dem Holocaust auseinanderzusetzen, da diese schlimmen Ereignisse sonst in Vergessenheit geraten würden. Viele Zeitzeugen, die die 30er und 40er Jahre bewusst miterlebt haben, sind mittlerweile von uns gegangen oder sind zu alt, um ihre oft so schrecklichen Geschichten zu erzählen. So schwindet der direkte Bezug, die persönliche Geschichte, das individuelle Schicksal.

Zwar herrscht in Deutschland gerade auch in Bezug auf den Nationalsozialismus eine recht rege und vielfältige Erinnerungskultur, dennoch muss aber erwähnt werden, dass bei vielen das Geschichtsbewusstsein zu wenig ausgeprägt ist. Dies zeigt, dass auch bei uns weiterhin Aufklärungsarbeit und die nachhaltige Erinnerung an vergangene Taten und Verbrechen wie den Holocaust nötig sind, um die Menschen dafür zu sensibilisieren und dies in der Zukunft verhindern zu können und. Dies ist nicht nur bei uns wichtig. Es gilt auch für Verbrechen, die an anderen Orten dieser Welt geschehen sind. Denn nur wenn ein Geschichtsbewusstsein über die Taten der Vergangenheit vorliegt, können wir zu einer gerechteren und friedlicheren Zukunft gelangen.

Beenden wollen wir unseren Redebeitrag mit einem Zitat von Erich Kästner bezüglich der Bedeutung des Gedenkens. Er sagte einmal: „Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.” Dieser Satz verdeutlicht die Bedeutung des Gedenkens und Erinnerns. Durch die Auseinandersetzung mit Geschichte können und müssen wir Schlüsse für das eigene Handeln und Verhalten in der Gegenwart und für die Zukunft ziehen. 

 

Gelsenkirchen, Bonn, Münster, Düsseldorf, Nordhausen, Ulm - die Liste antisemitischer Anschläge auf Synagogen und Mahnmale wächst, seitdem der Nahost-Konflikt eskaliert. Eine Sorge, auf die die Politik mittlerweile reagiert. Die Kanzlerin ließ vergangenen Monat über Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen, dass der Angriff auf jüdische Einrichtungen keine Kritik an einem Staat und einer Regierung sei, sondern ein Ausdruck von Hass gegenüber einer Religion und denjenigen, die ihr angehören. Der nationalsozialistische Antisemitismus kostete über 6 Millionen Juden das Leben. Die Geschichte vieler Opfer ist nicht bekannt, wie bis vor Kurzem, auch die von Lucie Julisburger. 

 

Sie wird am 9. April 1897 in Berlin geboren. Ihre Mutter Fanny Juliusburger kommt aus Niederschlesien und ihr Vater Ismar Juliusburger aus Oberschlesien. Beide sterben in Berlin. Lucie Juliusburger hat zwei Schwestern und drei Brüder. Ihr einer Bruder Kurt wandert später in die USA aus, der andere Bruder Felix gilt seit seiner Deportation 1942 als verschollen. Lucie lebt zunächst in der Wohnung ihrer Eltern in der Schönhauserallee.

 

Vor der Konsolidierung des Nationalsozialismus arbeitet sie als Buchhalterin bei Siemens. Der am 7. April 1933 erlassene Arierparagraph, der den Nachweis nichtjüdischer Abstammung verlangte, bedeutete für viele Menschen Berufsverbot, so auch für Lucie. Sie verliert ihre Stelle und zieht zu ihrem Bruder Kurt Juliusburger in die Pradelstraße 18. 1939, mit 42 Jahren ist sie dort auch offiziell gemeldet. Vermutlich plant Kurt zu diesem Zeitpunkt schon in die USA auszuwandern und gibt daher seine Wohnung auf. Der Onkel von Kurts Frau bürgt für ihn und seine Familie und besorgt ihnen ein Visum. Kurt Juliusburger wandert mit seiner Familie in die USA aus, Lucie bleibt in Berlin zurück und zieht 1940 in die Wolfshagenerstraße. Es ist davon auszugehen, dass der Umzug von der Pradelstraße in die Wolfshagenerstraße nicht freiwillig und nicht allein aufgrund von finanziellen Nöten geschieht, sondern bedingt durch die Ausgrenzung und Erniedrigung durch die Nationalsozialisten.

 

 Seit 1940 werden alle arbeitsfähigen Juden und Jüdinnen zur Zwangsarbeit verpflichtet. Lucie, die zuvor Buchhalterin bei Siemens war, ist dort vom 3. Juni 1940 bis zum Februar 1943 als Zwangsarbeiterin tätig. Während dieser Zeit muss sie erneut umziehen. Sie wohnt nun in der Schönhauserallee 186, ein Haus, das damals als „Judenhaus“ bezeichnet wird. Diese Bezeichnung wird in der damaligen nationalsozialistischen Behördensprache einem Haus gegeben, in das ausschließlich jüdische Mieter und Untermieter einquartiert werden. Lucie Juliusburger wird bei einer der Fabrikaktionen verhaftet, worunter wir heute die letzten Deportationen von Berliner Juden verstehen und am 1. März 1943 nach Auschwitz überführt. 1943, mit 46 Jahren wird Lucie Juliusburger in Auschwitz ermordet. Sie erhält keine Häftlingsnummer, wird also wahrscheinlich direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Ihr Leichnam wird eilig verbrannt und mit der Asche von vielen anderen Opfern des Nationalsozialismus verscharrt. Ihr Leidensweg blieb für 78 Jahre unentdeckt.

 

 Kann die Würde eines Menschen schlimmer verletzt werden? 

Partizipative Lesung zum 27. Januar

Zum diesjährigen Gedenktag am 27. Januar konnten viele Veranstaltungen pandemiebedingt nicht stattfinden. Umso mehr freuten wir uns über die Einladung zur digitalen Gedenkveranstaltung der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück: "Dort träumte ich: Von Sehnsüchten, Hoffnung und Verzweiflung in den Selbstzeugnissen von Ravensbrück-Häftlingen und Überlebenden".

Auf der digitalen Videoplattform Zoom kamen Menschen aus der ganzen Welt zusammen und lasen Selbstzeugnisse von zahlreichen Überlebenden aus verschiedenen Nationen. Auch Schüler*innen der AG Gedenken übernahmen einige der Textauszüge, die von Selbsterhaltung und Widerstand, aber auch von Verzweiflung handelten. Die Videokonferenz wurde zeitgleich auf Youtube übertragen.

 

Die Schüler*innen AG waren bewegt und froh über die Möglichkeit, trotz all der Beschränkungen im öffentlichen Raum, an einer Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag teilnehmen zu können. Die vielstimmigen Zeugnisse der Überlebenden hinterließen starke Gefühle und ein kraftvolles Signal: Nie wieder!

L. Ihsen, L. Kelp

Gedenkstättenfahrt nach Ravensbrück September 2020

Trotz der erschwerten Pandemiebedingungen hat sich unsere Arbeitsgemeinschaft auf den Weg zur Gedenkstätte Ravensbrück gemacht, um auch in diesem Jahr an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern und zu gedenken.

Das ehemalige Frauenkonzentrationslager Ravensbrück liegt in der Nähe des Luftkurortes Fürstenberg an der Havel. Wir fuhren mit dem Zug vom Bahnhof Gesundbrunnen bis nach Fürstenberg, von wo wir den Weg zu Fuß nahmen, den auch viele deportierte Frauen nehmen mussten. Auf dem Weg erinnern verschiedene Objekte an das Leid der Häftlinge. So stimmte schon der Weg zur Gedenkstätte auf den Besuch vor Ort ein.

In der Gedenkstätte angekommen, nahmen wir an einer Führung teil, in deren Rahmen wir über den Ort informiert wurden. So erfuhren wir, dass ab 1939 die SS hier das größte Frauen-Konzentrationslager auf deutschem Gebiet errichten ließ und schon im Frühjahr 1939 die ersten weiblichen Häftlinge aus dem Konzentrationslager Lichtenburg nach Ravensbrück verlegt wurden. Erst im April 1941 wurde ein Männerlager angegliedert, das ebenfalls dem Kommandanten des Frauenlagers unterstand.

Neben den Lagerstrukturen und dem Leben im Lager beschäftigten uns die Häuser vor dem Lagerareal, in denen die SS ihre Unterkünfte hatte und Frauen als Aufseherinnen ausgebildet wurden.

Von besonderer Bedeutung war die Eingangsansprache unserer Referentin, die darauf verwies, wie wichtig es bleibt, auch in Zeiten einer Pandemie, sich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten auseinanderzusetzen. Wir sind sehr froh, dass wir unter Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen wieder mit unserer AG unterwegs sein konnten.

L. Ihsen, L. Kelp

Ein bewegendes Zeitzeugengespräch

Am Mittwoch (12. Februar 2020) haben vier Schüler unserer Schule im Rahmen der Gedenkstätten-AG an einem Zeitzeugengespräch mit Walter Frankenstein, einem ehemaligen Zwangsarbeiter der GESTAPO und überlebender Jude während der NS-Zeit, teilgenommen. Dies Fand im Dokumentationszentrum für NS-Zwangsarbeit in Schöneweide statt und andere Klassen waren auch anwesend.

Walter Frankenstein ist 1924 in Flatow (damaliges Westpreußen, heutiges Polen) geboren und dort in einer deutschen Familie mit jüdischem Glauben aufgewachsen. Zu Beginn der Veranstaltung erzählt er, wie er 1936 aufgrund von antisemitischen Gesetzen seinen Heimatort verlassen musste und in ein Waisenhaus in Berlin kam, wo ihm sein Onkel einen Platz verschaffte. Dort lernte er seine spätere Frau Leonie kennen, mit der er zwei Kinder bekam. Als 1941 viele Juden aus Berlin in Arbeits- und Konzentrationslager deportiert wurden, wurde Walter Frankenstein zunächst als Zwangsarbeiter von der GESTAPO benutzt. 1943 entschieden er und seine Frau mit ihrem gerade mal zwei Wochen alten Sohn unterzutauchen. Von da an lebten sie bis zum Kriegsende bei Freunden und Bekannten versteckt. Frankenstein erzählt, dass es etwa 100 Leute brauchte, um ihn und seine Familie zu verstecken. Oft lebten sie längere Zeit getrennt voneinander und Mahlzeiten blieben oft mehrere Tage aus. Vor allem die Kinder zu ernähren war schwer meint der 95-jährige. Besonders beeindruckt hat uns Walter Frankensteins Mut, den er während der Kriegszeit hatte. Er sagt, dass er und seine Frau sich nie von den Nazis unterdrücken lassen haben und dass sie nie Angst hatten gefasst zu werden. Auch seine Leidenschaft zum Sport, die der Herthafan noch heute hat, habe ihm geholfen sagt er. Am Schluss der Veranstaltung gibt Walter Frankenstein uns zwei Lektionen mit: helft Menschen in Not, egal welcher ethnischen Gruppe sie angehören und lasst den Fußball Fußball sein und kein Krieg.
Greta, Pina, August, Henri

Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Zwei Tage nach dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust begab sich die AG Gedenken ins Zentrum Berlins. Zunächst erkundeten die Schüler*innen individuell das "Holocaust-Mahnmal" und sammelten anschließend ihre Erfahrungen und Eindrücke mit einem Teamer im "Ort der Information". Neben dem Besuch des Museums spielte im Workshop vor allem die Geschichte des Gedenkortes und seine Bedeutung eine Rolle. So wurden (ursprüngliche) Konzepte besprochen, die Architektur nachvollzogen und die Debatte um den Bau damals wie heute diskutiert. Dabei spielten zum Beispiel auch andere Gedenkorte in Berlin eine Rolle und die Frage, warum diese Orte wichtig sind.

75 Jahre nach Auschwitz - 75 ans après Auschwitz

Am 22. Januar besuchte die AG Gedenken die Französische Botschaft in Berlin. Zum Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertags fand fünf Tage vor dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust eine Podiumsdiskussion zum Thema "75 ans après Auschwitz - la mémoire au défi" statt. Teilgenommen haben in diesem Fall noch Französischlernende aus dem 12. Jahrgang, da die Veranstaltung komplett in französischer Sprache gehalten wurde. Im Verlauf des Abends wurden fünf zentrale Fragen diskutiert, die sich mit Gedenkpolitik und -kultur sowie den Zugang der Jugend zum Gedenken beschäftigten.
Dabei waren nicht nur die Beiträge der Schüler*innen gut zu verstehen, sondern auch jene der anwesenden Vertreter*innen der Gedenkstätten Langenstein-Zwieberge, Compiègne-Royalieu, Rivesaltes  und dem Haus der Wannsee sowie der Commission pour l'Indemnisation des Victimes de Spoliations. Ein interessanter Abend, der viele neue Impulse zur Reflexion über das Gedenken bot.

9.11.2019 Gedenkveranstaltung vor dem Rathaus Reinickendorf

Wie jedes Jahr am 9. November trafen sich Schülerinnen und Schüler der AG Gedenken – und auch Eltern der Schülerinnen – am Rathaus Reinickendorf, um gemeinsam mit Politikern, Mitgliedern des Arbeitskreises für politische Bildung, Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen und Vertretern der Gedenkstätte Lidice an die Opfer des Nationalsozialismus im Allgemeinen und der Reichspogromnacht sowie der Vernichtung des Dorfes Lidice in Tschechien im Besonderen zu gedenken. Hanna und Amelia, Schülerinnen des 12. Jahrganges, hielten gemeinsam eine Rede zu diesem Anlass. Die Rede ist bewegend und macht deutlich, dass „Antisemitismus und Rassismus […] noch nicht überwunden [sind]“ und unser „Gedenken auch weiter gegen modernen Antisemitismus und Diskriminierung“ ein Zeichen setzt.

Für das jahrelange Engagement unserer Schülerinnen und Schüler, besonders für das Engagement Hannas und Amelias in diesem Jahr, möchten wir uns herzlichen bedanken. Die AG Gedenken lebt von geschichtsinteressierten und aufgeschlossenen Schülerinnen und Schülern, die uns stets an Gedenkorte begleiten und nicht müde werden, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

L. Ihsen und L. Kelp

 

Rede zum 9. November

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir besuchen seit nunmehr 12 Jahren die Schule und der 9. November spielt im Geschichtsunterricht jedes Jahr eine Rolle. Ob vor 101 Jahren mit der Novemberrevolution oder vor 30 Jahren mit dem Mauerfall, der 9. November ist uns allen ein Begriff.

In der Nacht von einem dieser ereignisreichen 9. November ereignete sich vor 81 Jahren die umfassendste Gewaltmaßnahme des nationalsozialistischen Regimes gegenüber hunderten Jüdinnen und Juden vor dem 2. Weltkrieg: Die Reichspogromnacht.

Synagogen, Betstuben, Friedhöfe, Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört und über 400 Jüdinnen und Juden allein in dieser Nacht ermordet.

Doch dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der schrecklichen Verbrechen der Nationalsozialisten.

Durch Gedenken haben wir die Möglichkeit den Opfern dieser Grausamkeiten ein Gesicht zu geben und sie nicht in der Geschichte untergehen zu lassen. Dies versuchen auch wir an unserer Schule, dem Europäischen Gymnasium Bertha – von – Suttner, unter anderem mit prägenden Besuchen von ehemaligen Konzentrationslagern, wie Theresienstadt oder jährlichen Fahrten zu einem zerstörten Dorf in der Nähe von Prag: Lidice.

Hier zeigt sich, dass sich die wahllosen Gewalttaten der Nationalsozialisten lange nicht mehr nur auf die systematische Ausgrenzung der Juden konzentrierten, sondern ihnen zu Propaganda-Zwecken jegliche Form von Brutalität recht war.

Lidice wurde grundlos ausgewählt um ein Exempel zu statuieren. Keiner der 493 Bewohner sollte überleben, um die Ermordung des Reichsprotektors Reinhard Heydrich zu rächen. Der Vorwand, der Attentäter käme aus Lidice, wurde frei erfunden.

Am Abend des 9.  Juni 1942 wurde das Schicksal der unschuldigen Bewohner besiegelt. Alle Männer über 15 Jahren wurden direkt am Morgen des 10. Juni erschossen und alle Frauen und Kinder in das Nachbardorf Kladno gebracht. Auch diese wurden kurze Zeit später getrennt, nur für kurze Zeit angeblich.

Doch auch das war eine Lüge.

Abgesehen von 7 Kindern, die zu Germanisierungszwecken in ein Lebensborn – Heim kamen, wurden alle übrigen 81 Kinder vergast und die Frauen in Konzentrationslager deportiert.

Wenn wir heute, 77 Jahre später, in Lidice aus dem Bus steigen, am Rosengarten und dem Museum vorbeilaufen, sehen wir nur noch ein Tal mit einer grünen Wiese. Trotz allem ist der Plan der Nationalsozialisten, das Dorf von den Landkarten verschwinden zu lassen, misslungen. Der Grund dafür: das Gedenken und der Wiederaufbau des Dorfes nur wenige Meter weiter.

Jedes Jahr am Wochenende nach dem Jahrestag des Massakers, findet in Lidice eine bewegende Gedenkveranstaltung statt, der auch wir bereits zweimal beigewohnt haben. Botschafter aus aller Welt legen im Rahmen dieser Zeremonie Kränze auf dem Massengrab nieder. Dieses ist die letzte Ruhestätte der unzähligen, zu Unrecht, erschossenen Männer.

Der Hof der Familie Horak, wo diese grausame Massenerschießung stattfand, liegt nur wenige Meter daneben. Bis auf die Grundsteine der Kirche ist dieser der einzige Ort, der von den Nationalsozialisten nicht komplett dem Erdboden gleich gemacht wurde. Doch auch hier sind nur noch einige Mauersteine vorhanden.

Neben diesen wenigen Relikten des Dorfes sticht ein Ort besonders ins Auge. Eine Bronzegruppe, die Kinder darstellt. Wer genau nachzählt, kommt auf die Zahl 82.

81 Kinder aus Lidice, die vergast wurden, plus eines, dessen Verbleib noch immer nicht geklärt ist und wahrscheinlich nie geklärt werden wird.

Für die meisten Besucher der Gedenkstätte ist das der Ort, der die meisten Emotionen weckt.
Eltern, die sich gar nicht vorstellen können und wollen, wie Mütter und Väter sich vor 77 Jahren gefühlt haben, als ihnen die Kinder weggenommen wurden, sind zu Tränen gerührt, wenn die Gedenkstättenmitarbeiter erzählen, wie ganze Familien, teilweise unter Todesandrohungen der Nationalsozialisten, auseinandergerissen wurden.

Und wir, selbst fast noch Kinder, stehen geschockt vor dem Denkmal und trauern.

Unsere Generation ist die letzte, die die Zeitzeugen dieser Ereignisse noch miterleben kann. Wir alle sind Zeitzeugen von Zeitzeugen und müssen dieses Wissen weitergeben und, noch wichtiger, verhindern, dass solche Taten jemals wieder geschehen. Weltoffenheit hat hier daher höchste Priorität.

Durch unsere Fahrten nach Prag hat sich eine Schulfreundschaft zwischen dem Europäischen Gymnasium Bertha – von – Suttner aus Berlin  und dem Doppler - Gymnasium aus Prag entwickelt. Das zeigt uns, dass man beim Gedenken nie alleine sein muss und es Menschen zusammenbringen kann, die das Vergessen verhindern möchten.

Auch deshalb stehen wir hier am Rathaus Reinickendorf, neben uns das Rosenbeet mit 50 Rosenstöcken aus Lidice. Eingeweiht wurde es 1995 unter anderem durch überlebende Kinder und Frauen. Ein symbolischer Akt von größter Bedeutung, der die Gedenkkultur weiter voranbringt.

Denn auch wenn man es im Jahr 2019 erwarten sollte, Antisemitismus und Rassismus sind noch nicht überwunden. Lassen Sie uns deshalb mit unserem Gedenken auch weiter gegen modernen Antisemitismus und Diskriminierung vorgehen. Für die Zukunft von uns allen dürfen wir nicht vergessen.

 

Gedenkstättenfahrt nach Lidice 2019

Auch in diesem Jahr hat sich die AG Gedenken wieder auf den Weg nach Tschechien gemacht. Fokus unserer Reise (28-30. September 2019) war das im zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten zerstörte Dorf Lidice. In diesem Jahr begann unsere Reise jedoch zunächst mit dem Tag der offenen Tür der Deutschen Botschaft in Prag.

Beim „Fest der Freiheit“ wurde dem 30jährigen Jubiläum gedacht, als im Sommer und Herbst 1989 Tausende DDR-Bürger*innen Zuflucht in der Botschaft gesucht haben. Ziel war die Möglichkeit der Ausreise gen Westen. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher sprach damals vom Balkon den berühmtesten Halbsatz der Geschichte:  „Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise […]“. Tatsächlich beendete er den Satz („…möglich geworden ist“), dies ging jedoch im Jubel der Menschen unter. Ein buntes Rahmenprogramm machte die damaligen Ereignisse erlebbar. Besonders gefreut haben wir uns über die abermalige Begegnung mit den Schüler*innen unserer Partnerschule in Prag, dem Doppler-Gymnasium. Die tschechischen Schüler*innen führten die AG-Mitglieder durch die tschechische Hauptstadt und zeigten ihnen ihren Blick auf Prag.

Am Samstag besuchten wir die Gedenkstätte Lidice und das dortige Museum. Anschließend nahmen wir an einer Führung teil, in deren Rahmen über die Ermordung aller Männer und die Deportation der Frauen gesprochen wurde. Besonders berührend war das Schicksal der Kinder, die  ebenfalls zum Großteil ermordet wurden. Nur wenige wurden aufgrund ihres Aussehens ausgewählt, dass sie „germanisiert“ und deutschen Familien als Adoptivkinder gegeben werden sollten.

Der Nachmittag in Prag stand im Zeichen der jüdischen Geschichte. Die AG nahm an einer Führung durch Josevov („Josephstadt“), das ehemalige jüdische Ghetto teil. In diesem Rahmen besuchten wir mehrere Synagogen, wie z.B. die Pinkas-Synagoge, die heute als Holocaust-Gedenkstätte dient. Eindrücklich waren zudem die verwitterten Grabsteine auf dem Alten Jüdischen Friedhof.

Der Abreisetag führte uns nach Theresienstadt. In dem Sonderlager der Kleinen Festung erfuhren wir im Rahmen einer Führung Details über den tatsächlich grausamen Alltag in dem damaligen Konzentrationslager bzw. Ghetto, das durch die NS-Propaganda als „Altersghetto“ verharmlost wurde. Allein in der Kleinen Festung starben ungefähr 2500 Menschen, die meisten von ihnen waren Jüdinnen und Juden.

Auf den Spuren der Täter – Exkursion zum Haus der Wannseekonferenz

Am 6. Mai 2019 begaben sich 20 Schüler*innen der AG Gedenken zum Haus der Wannseekonferenz.  Die ehemalige Fabrikantenvilla ist heute eine Gedenkstätte, die an den 20. Januar 1942 erinnert: Hochrangige Vertreter von SS, NSDAP und verschiedenen Reichsministerien planten hier die Kooperation zur Ermordung der europäischen Juden. Diese sogenannte „Endlösung“ war dabei nur ein verschleiernder Begriff für den mit Beginn des 2. Weltkriegs von den Nationalsozialisten losgetretenen Holocaust.

Der Studientag der AG gliederte sich in drei Phasen: Zunächst wurden bei der anfänglichen Kennenlernrunde Erfahrungen ausgetauscht und Grundlagen gelegt. Anschließend wurden wir durch die Ausstellung und den Garten der Villa geführt, um einen Überblick über den Weg von der Ausgrenzung über die Entrechtung bis hin zur Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden zu erhalten. Die Besprechung einzelner Originaldokumente im damaligen Versammlungsraum stach hierbei ebenso hervor wie das Erstaunen über die ausbleibende juristische Verfolgung der Täter in Person einiger der Teilnehmer der damaligen Konferenz.

Nach der gemeinsamen Picknickpause arbeiteten die Schüler*innen in jahrgangsübergreifenden Kleingruppen vertiefend zu den verschiedenen Stufen der antisemitischen Verfolgung. Hier wurde der Bogen von juristischen Grundlagen (Nürnberger Gesetze) bis zur physischen Vernichtung in Auschwitz und den Vernichtungslagern gespannt.

Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz 2019

Vom 11.01. bis zu 14.01. diesen Jahres fuhr die Gedenkstätten AG, geleitet von Frau Kelp und Herrn Ihsen, in das polnische Oświęcim, um das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz I und die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Auschwitz Birkenau zu besuchen.

 Die Fahrt begann mit dem Bus am Freitagmorgen und brachte uns in die Internationale Jugendbegegnungsstätte Oświęcim, wo wir von Freiwilligen, unter anderem Lina Schäfer, eine ehemalige Schülerin der Bertha und selbst einmal Mitglied in der AG, begrüßt wurden. Die Jugendbegegnungsstätte wurde 1986 in Zusammenarbeit zwischen der Aktion Sühnezeichen und der Stadt Oświęcim gegründet und dient seitdem als Begegnungsstätte, als ein Ort der Geschichtsaufarbeitung und Völkerverständigung.

 Am Tag unserer Ankunft bekamen wir eine Führung durch die Stadt Oświęcim von einer Helferin der Aktion Sühnezeichen und besuchten das Jüdische Museum mit der dazugehörigen Synagoge. Dabei wurde uns bewusst, wie groß und vielfältig die jüdische Gemeinde vor dem Zweiten Weltkrieg in Polen gewesen ist. So hatte beispielsweise Oświęcim zwischenzeitlich einen jüdischen Bevölkerungsanteil von ca. 60%.

Am Samstagmorgen besuchten wir die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz I. Nachdem wir am Abend zuvor bereits über unsere Wünsche, Befürchtungen und Erwartungen an den Besuch der Gedenkstätte gesprochen hatten, begannen wir mit gemischten Gefühlen unsere vierstündige Führung über das Gelände. Zwei deutschsprachige Historikerinnen begleiteten uns und standen uns für Fragen zur Verfügung.

 Auf dem Areal des Stammlagers Auschwitz I, welches 1940 gegründet wurde, lebten gleichzeitig zwischen 12.000 bis 20.000 Häftlinge, die zu verschiedensten Arbeiten gezwungen wurden. In dem Museum in der Gedenkstätte gibt es einerseits allgemeine Ausstellungen über die Geschichte des Lagers, jedoch auch internationale Ausstellungen, welche sich mit den Schicksalen der Gefangenen aus ihren jeweiligen Herkunftsländern beschäftigen.

Nachdem die Führung beendet war, hatten wir ein wenig später in unserer Herberge einen Workshop zum Thema „Ungarische Juden in fotografischer Darstellung“. In einer Gruppenarbeit befassten wir uns mit den verschiedensten Arten von Fotos: Familienfotos von ungarischen Juden, welche diese auf die Deportation nach Auschwitz mitgenommen hatten, heimlich im Lager gemachte Fotografien durch das sog. Sonderkommando, Propagandamaterial des NS-Regimes und Bilder zur Registrierung der Häftlinge. Nach drei Stunden intensiver Recherche, hatten wir ein wenig Zeit für uns. Erst jetzt war es uns möglich, über den Tag nachzudenken und Eindrücke sacken zu lassen. Am Abend reflektierten wir in zwei Gruppen unsere Eindrücke und Gefühle des Tages und stellten Fragen, die uns beschäftigten. Außerdem bereiteten wir uns schon auf den folgenden Tag vor, an dem wir an einer Führung über das Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Birkenau teilnehmen sollten.

Der zweite Lagerkomplex (Birkenau) liegt etwa drei Kilometer vom Stammlager entfernt, ist deutlich größer und stellt die industrielle Massenvernichtung bzw. fabrikgleiche Ermordung von Verfolgten des NS, insbesondere von Juden, dar. An diesem Ort wurden die Gefangenen nicht einmal als Häftlinge registriert, da sie dort nur für eine kurze Zeit bis zu ihrer Ermordung bleiben sollten. Nach der Ermordung wurden die Leichen der Opfer direkt neben den Gaskammern in den Krematorien verbrannt. Wir sahen in Birkenau die mahnenden Ruinen jener Orte, welche die grausamen Taten der Nationalsozialisten verdeutlichen.

 Auschwitz stellt verschiedene Dimensionen des brutalen Vernichtungssystems der Nationalsozialisten dar: Es hatte sowohl die Aufgabe eines Arbeitslagers (Auschwitz I), wurde als Vernichtungslager (Birkenau), wie die Lager Majdanek, Sobibor oder Treblinka, genutzt und darüber hinaus gab es noch einen dritten Lagerkomplex namens Monowitz. Dieser war ein Zwangsarbeiterlager, welches von großen Firmen und der deutschen Industrie finanziert und genutzt wurde. Somit wurde Auschwitz zum Symbol für den Holocaust sowie für das gesamte Ausmaß der Verbrechen des Dritten Reiches.

Nachdem unsere Führung in Birkenau vorbei war, hatten wir unseren zweiten Workshop zum Thema „Kinder und Jugendliche in Auschwitz“ in der Jugendbegegnungsstätte. Wir befassten uns mit Einzelschicksalen, erfuhren aber auch Hintergründe zu den Tätern

Am Abend fassten wir im Plenum Gesehenes und neues Wissen der letzten drei Tage zusammen. Der Besuch in der Gedenkstätte hat uns bewusst gemacht, wie wichtig Gedenken ist. Auschwitz ist eines der Beispiele von trauriger Berühmtheit für die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Allein dort wurden in einem Zeitraum von nur fünf Jahren 1,1 Mio. unschuldigen Menschen das Leben genommen. Die Opfer waren vor ihrer Deportation ein Teil der Gesellschaft. Es konnte jeden treffen: Nachbarn, Freunde, Familie, oder gar einen selbst. Das Gedenken und Erinnern leistet einen Beitrag dazu, dass sich dieses willkürliche Morden von damals nie mehr wiederholt. Indem unsere Generation darüber lernt, wird eine sichere Zukunft für die Gesellschaft geschaffen. Denn „[d]iejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind dazu verurteilt, sie zu wiederholen“ (George Santayana).  

Vincent Ludley, 11. Jahrgang/LK Geschichte

Unser Aufenthalt in Compiègne: Ein Treffen mit Merkel und Macron

Am 10. November kamen Angela Merkel und Emmanuel Macron anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Unterzeichnung des Waffenstillstandes des 1.Weltkrieges in Compiègne zusammen.

Unter den Gästen befanden sich unter anderem wir 40 Jugendlichen aus Deutschland und Frankreich.

Auf dem Weg von Verdun nach Compiègne war zunächst noch völlig unklar, wie sich die Gedenkfeier für uns gestalten würde. Es stand ganz offen, ob wir zu den geladenen Gästen zählen würden, geschweige denn, ob Merkel und Macron an uns vorbeilaufen und stehenbleiben würden, um ein paar Worte mit uns auszutauschen.

Die Leiter der Funke Mediengruppe spielten bereits mit dem Gedanken, dass sich eine solch besondere Gelegenheit ergeben könnte. Um auf alles gefasst zu sein, fragten sie einen französischen Schüler und mich aufgrund unserer Sprachkenntnisse, ob wir uns vorstellen könnten im Bus auf dem Weg zur Gedenkfeier ein paar Fragen zu formulieren, um diese dann Merkel und Macron zu stellen. Die Intention war, dass ein französischer Schüler der deutschen Bundeskanzlerin auf Deutsch und eine deutsche Schülerin dem französischen Bundespräsidenten auf Französisch eine Frage stellt. Geehrt und überrascht wie wir uns fühlten, bejahten wir selbstverständlich die Frage. Gemeinsam überlegten wir uns also einige Fragestellungen in der jeweils anderen Sprache und stellten diese den Leitern der Funke Mediengruppe vor. Anschließend entschieden wir uns bei Merkel für die Frage, wie man die deutsch-französische Freundschaft stärken könne, und bei Macron für die Frage, welche Botschaft er gerne den Jugendlichen anlässlich dieser Gedenkfeier mit auf den Weg geben wolle. Auf Französisch lautete die Frage an Macron „Quel est le message que vous souhaitez faire passer aux jeunes à travers cette rencontre?“.

Letztlich kam es tatsächlich so weit, dass unsere Gruppe zu den geladenen Gästen gezählt wurde. Mit einem weiteren Bus wurden wir zu dem entsprechenden Ort gefahren, teilweise von der Polizei flankiert. Dies führte zu gesteigerter Aufregung unter uns Jugendlichen, da man bereits hierbei nicht mehr von einem ganz so alltäglichen Erlebnis sprechen konnte. Als wir wenig später ankamen, wurden wir auf einer kleinen Art Gästetribüne platziert. Direkt neben uns befanden sich ein Militär- und ein Kinderchor. Da wir genügend Zeit hatten bis Merkel und Macron kamen, wurden wir vorher von einigen Journalisten interviewt. Wir erklärten, welche Fragen wir uns überlegt hatten und beschrieben unsere leichte Nervosität und das Gefühl, dass es sich ziemlich unwirklich anfühlte, gleich Merkel und Macron möglicherweise direkt gegenüberzustehen.

Dann war es so weit. Die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident waren angekommen und machten sich am Ende des Zeremonieprogramms auf den Weg, Gäste und Zuschauer zu grüßen. Zudem nahmen sie sich die Zeit für kleinere Unterhaltungen. Als sie dann zu uns gelangten, um uns die Hand zu geben, ergriffen wir die sich bietende Gelegenheit und stellten ihnen unsere Fragen. Gegenüber von uns befand sich eine Leinwand, auf der wir sehen konnten, wie unser Gespräch live übertragen wurde. Was für ein merkwürdiges Gefühl, so viel Aufmerksamkeit auf sich zu wissen! Dennoch war ich weniger aufgeregt als bei den Interviews, die ich bereits auf Französisch gegeben hatte. Dort musste ich viel reden. Hier aber war es nur eine einzige Frage, die ich stellte. Wir hörten ihnen aufmerksam zu und schätzten es sehr, dass sie so ausführlich auf uns eingingen.

Nach der Zeremonie war eine heitere Stimmung spürbar, da alles so gut gelaufen war. Wenig später kamen einige weitere Journalisten von Zeitungen und Fernsehsendern zu uns, um mit uns über unser Gespräch mit Merkel und Macron, und generell das Programm der Funke Mediengruppe zu sprechen.

Als ich sah, in wie vielen Zeitungen und Fernsehsendern von der Zeremonie berichtet wurde und zudem auch wir in vielen dieser Berichte auftauchten, wurde mir erst bewusst, was für eine große Bedeutung dieses 100-jährige Jubiläum in Frankreich hat. Durchaus eine viel größere als in Deutschland.

Die Zeremonie war ein wirklich einzigartiges Erlebnis, und es war ungemein aufregend und bewegend, dieses mit den anderen französischen und deutschen Jugendlichen geteilt haben zu können.

Josepha B.

(Foto: Sébastien Vannier, Ouest France)

100 Jahre Ende 1. Weltkrieg in Verdun und Compiègne

Am frühen Morgen des 8. November 2018 traf sich die AG Gedenken am Berliner Hauptbahnhof, um in ein intensives deutsch-französisches Wochenende zu starten. Organisiert wurde die Reise anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Waffenstillstands am Ende des 1. Weltkriegs von der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung Ouest France. Die journalistische Begleitung begann bereits mit ersten Interviews im Zug, die im Liveblog der Berliner Morgenpost veröffentlicht wurden. Neben acht Bertha-Schüler*innen kamen 12 Jugendliche aus ganz Deutschland am Donnerstag nach Köln, von wo aus wir mit dem Bus der Funke Mediengruppe nach Verdun gefahren sind. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat vor Ort Kennenlernspiele mit den zwanzig bretonischen Jugendlichen aus fünf verschiedenen Schulen aus dem Einzugsbereich von Ouest France organisiert. Die Zimmer wurden deutsch-französisch gemischt.

Am Freitag besuchte die deutsch-französische Gruppe die ehemaligen Schlachtfelder Verduns, ebenso wie unterschiedliche Gedenkstätten. Begleitet wurden wir an diesem Tag nicht nur von den Journalist*innen von Funke und Ouest France, sondern auch vom Fernsehsender TF1. So schaffte es die AG Gedenken tatsächlich in die französischen Nachrichten. Die Spuren der ehemaligen Schlachtfelder sind durch die überwachsenen Granatkrater deutlich zu sehen. Eine Historikerin führte die gesamte Gruppe durch das umkämpfte Fort Douaumont und zum Friedhof vor dem Beinhaus. 16142 Gräber machen den Schrecken des Kriegs bewusst. Das grausame Ausmaß wurde nach dem Besuch des Beinhauses umso deutlicher, als wird die Knochenhaufen von über 130.000 Soldaten sahen, die niemals identifiziert worden sind.

Nach dem Besuch der Zitadelle folgte am Abend ein von ARTE moderierter Austausch der Jugendlichen, in dessen Rahmen u.a. die zuvor recherchierten Geschichten der eigenen Vorfahren aus dem 1. Weltkrieg thematisiert wurden. Interessant war u.a. die Erkenntnis, in welchem Maße sich die Thematisierung im Unterricht in Frankreich von der in Deutschland unterscheidet.

Der Samstag hielt für uns eine ganz andere Art von Gedenken bereit: In Compiègne nahmen wir an der offiziellen Zeremonie zum Jubiläum der Unterzeichnung des Waffenstillstands teil. Dabei galt es ein strenges Protokoll zu befolgen, da sowohl der französische Präsident Emmanuel Macron als auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet wurden. Die Vorbereitungen im deutsch-französischen Team während der Busanreise sollten sich lohnen: Das Gespräch zwischen den Politiker*innen und Schüler*innen ging durch die europäische Presse (Extra-Bericht folgt).

Nach einer abendlichen Auswertung im Hotel verabschiedeten sich die Jugendlichen per Handschlag persönlich voneinander. Die sonntägliche Rückreise bot viel Raum für Gedanken über ein intensives deutsch-französisches Wochenende.

Gedenkveranstaltung vor dem Rathaus Reinickendorf am 09.11.2018

Der 9. November ist in vielerlei Hinsicht ein Gedenktag, ein Datum, an dem jedes Jahr viele Gedenkveranstaltungen in Berlin stattfinden. Wir, die Arbeitsgemeinschaft Gedenken, traf um 16 Uhr vor dem Rathaus Reinickendorf mit Politikern, Mitgliedern des Arbeitskreises für politische Bildung, Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schulen und Vertretern der Gedenkstätte Lidice zusammen, um gemeinsam den Opfern des Nationalsozialismus im Allgemeinen und der Reichspogromnacht sowie der Vernichtung des Dorfes Lidice in Tschechien im Besonderen zu gedenken. Begleitet wurde die Veranstaltung durch Reden und Musikeinlagen. Auch zwei unserer Schülerinnen, Nele H. und Tara T. , hielten gemeinsam eine Rede (siehe unten), in der sie sich mit der Notwendigkeit des Erinnerns und Gedenkens auseinandersetzten. So zitierten Sie zum Abschluss die Worte Erich Kästners, die für Sie den Grund des Gedenkens und Erinnerns besonders treffend beschreiben:

„Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet die Menschen um. Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.“

In diesem Sinne danken wir allen Schülerinnen und Schülern, besonders Nele und Tara, die sich an dieser wichtigen Gedenkveranstaltung beteiligt und mit ihren Gedanken eingebracht haben.

L. Ihsen und L. Kelp

3. Deutsch-Tschechischer Tag der AG Gedenken

Am 18. Oktober trafen sich nun bereits zum dritten Mal Schüler*innen der AG Gedenken mit Jugendlichen des Doppler-Gymnasiums aus Prag. Während das deutsch-tschechische Treffen bei unseren Besuchen in Lidice einen geschichtlichen Schwerpunkt hat, stand in Berlin auch in diesem Jahr das interkulturelle Teamwork im Mittelpunkt.

Nach einigen Kennenlernrunden in der Bertha ging es nach Kreuzberg. In den Prinzessinnengärten bekamen die vier deutsch-tschechischen Kleingruppen Aufgaben, die sie innerhalb von zweieinhalb Stunden zwischen der East Side Gallery und dem Viktoriapark erledigten. Dank der finanziellen Unterstützung durch den Arbeitskreis Politische Bildung profitierten die Jugendlichen auch von der vielfältigen Gastronomie des Stadtteils. Am Ende einer gemeinsamen Abschiedsrunde unter der warmen Oktobersonne verabschiedeten sich alle Jugendlichen per Handschlag: Wir freuen uns auf ein Wiedersehen!

Gedenkstättenfahrt nach Tschechien 2018

Vom 9. Bis 11. Juni fuhren Schüler*innen der AG Gedenken bereits zum sechsten Mal nach Lidice. Dank der Unterstützung des Arbeitskreises Politische Bildung waren bereits in Jahren zuvor Gruppen der Bertha zum zentralen Gedenken an das nationalsozialistische Verbrechen vom 10. Juni 1942 gereist. Während der samstägliche Nachmittag der Erkundung der Stadt Prag diente, traf sich die AG am Abend in der Lobby unseres Hotels in Kladno, um die Gedenkfeierlichkeiten inhaltlich vorzubereiten.

Nachdem wir am Sonntag den Kranzniederlegungen in Lidice beigewohnt haben,  trafen wir uns auch in diesem Jahr mit einer Gruppe tschechischer Schüler*innen des Doppler-Gymnasiums aus Prag, die z.T. bereits im Oktober einen Tag mit uns in Berlin verbracht haben. Einen Teil der Führung über das Gelände des von den Nationalsozialisten völlig zerstörten Dorfes übernahm dieses Mal mit Sophia erstmals auch eine Schülerin.

Die deutsch-tschechische Schüler*innengruppe besuchte im Anschluss an das von den Prager Jugendlichen vorbereitete Picknick das Museum der Gedenkstätte,  in dem vor allem die Zeitzeugenberichte der überlebenden Frauen berührten. Während die Nationalsozialisten die Männer und die meisten Kinder ermordeten, wurden die Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert und erfuhren erst nach ihrer Rückkehr nach Kriegsende von dem schrecklichen Schicksal ihrer Familien.

Am Nachmittag profitierten unsere Schüler*innen von der Ortskenntnis der Prager Jugendlichen, die uns durch „ihre Stadt“ führten. Einen weiteren Höhepunkt bot der Besuch der deutschen Botschaft in Prag am Montag. Mittels einer Führung und eines Films informierten sich die Schüler*innen über die historischen Ereignisse 1989 bis hin zur berühmten Genscher-Rede vom Balkon des Palais Lobkowitz. Dabei wurden wir sogar vom Botschafter Christoph Israng selbst begrüßt, der sich für das Engagement der Jugendlichen im Sinne des Gedenkens an die nationalsozialistischen Verbrechen  bedankte.

L. Ihsen, L. Kelp

Workshop in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald

Am 24. Februar galt es, den Wecker früh zu stellen: Um 6:15Uhr traf sich die AG Gedenken am Hauptbahnhof, um zu einer Tagesfahrt nach Thüringen aufzubrechen. Das ehemalige KZ  Buchenwald war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden und mit seiner Lage auf dem Ettersberg in direkter Nachbarschaft zu dem für sein kulturelles Erbe bekannte Weimar.

In der Gedenkstätte Buchenwald begann der Workshop mit einem assoziativen Einstieg anhand von historischen Bildquellen. Dabei wurden Vorkenntnisse zusammengeführt und erste Informationen zur Spezifität des ehemaligen KZ geteilt.

In einem zweiteiligen Rundgang erkundeten wir das Gelände und den ehemaligen Steinbruch. Besonders nahe ging den Schüler*innen dabei die Besichtigung des Krematoriums und des Nachbaus der Genickschussanlage. Trotz der Kälte wurden intensive Gespräche mit unserem Guide geführt, der die Gruppe schließlich in die Ausstellung „Buchenwald. Ausgrenzung und Gewalt 1937-145“ führte.

Unser siebenstündiger Aufenthalt in der Gedenkstätte endete mit der Klärung offener Fragen und auch der Thematisierung Buchenwalds in der Nachkriegszeit (Displaced Persons, Speziallager 2). Neben den Besuchen in den Gedenkstätten Ravensbrück und Lidice gewannen die Schüler*innen somit weitere Einblicke in das grausame Lagersystem der Nationalsozialisten.

27. Januar: Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Wie im vergangenen Jahr folgte die AG Gedenken auch 2018 der Einladung der Initiative 27. Januar zu einer Gedenkveranstaltung in der Synagoge Oranienburger Straße.

In diesem Jahr trug der Abend die Überschrift „70 Jahre Israel: ‚Aus der Asche zu neuem Leben‘ – Das jüdische Volk erhält endlich seinen Staat“.  Anlässlich des Holocaust-Gedenktages sprachen Vertreter*innen der Initiative 27. Januar, deren Direktor für Öffentlichkeitsarbeit ehemaliger Schüler des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner ist, der israelischen Botschaft und des Bundestages.  Ehrengast und Hauptredner war der Holocaust-Überlebende Moshe Harel.

Zudem wurden im Rahmen des Gedenkens von sechs Gästen in der Synagoge Gedanken zur Erinnerung an den Holocaust verlesen und Kerzen entzündet. So sprach mit Laurenz, ein Schüler der AG, zur Verantwortung der jungen Generation.

L. Ihsen, L. Kelp

Spurensuche an zwei historischen Orten

Die Schülerinnen und Schüler der AG Gedenken begaben sich am 19. und 20. Januar 2018 auf Spurensuche des nationalsozialistischen Terrors in Berlin. Am Freitag fand der erste Projekttag im Gedenkort SA–Gefängnis Papestraße statt. Nach einer Führung durch die historischen Räume setzten sich die AG-Teilnehmer*innen mit unterschiedlichen Teilthemen des frühen Terrors 1933 auseinander. Im Zentrum standen hierbei Biographien von Personen, die im SA–Gefängnis in Haft waren und deren Schicksal mithilfe der Ausstellung und Archivarbeit herausgearbeitet wurde. Einige Schüler*innen setzten sich auch mit der Rolle der Täter*innen sowie dem Gedenkort in seiner heutigen Form auseinander. Abschließend waren es die AG-Teilnehmer*innen, die eine Führung durch den Gedenkort mit eigener Schwerpunktsetzung organisierten und ihre Ergebnisse präsentierten.

Viele Opfer der SA gerieten nach ihrer Entlassung z.B. aus dem Gefängnis in der Papestraße in das Visier der Geheimen Staatspolizei. Der zweite Projekttag knüpft an diese Verbindung zwischen den beiden Orten des NS-Terrors an: Am Samstagmorgen traf sich die AG im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors. Nach einer Einführung im Seminarraum folgten wir einer Führung durch die Ausstellung. Bei der Erforschung der weiteren Entwicklung des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates standen die Fragen und Interessen der AG-Teilnehmer*innen im Mittelpunkt. In Kleingruppen wurden mithilfe der Ausstellung und Archivmaterialien zu Täterbiographien und den NS-Terrorinstitutionen geforscht. In einer Abschlussrunde wurden die Arbeitsergebnisse ausgewertet.

Wir freuen uns über zwei Tage äußerst intensive Arbeit, kompetente Guides, neue Erkenntnisse und sehr reflektierte Schüler*innen der AG Gedenken, die auch sich am Wochenende mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und unseren heutigen Umgang mit diesen auseinandergesetzt haben.

L. Ihsen, L. Kelp

 

 

Gedenkveranstaltung am 09.11.2017 am Mahnmal für die Opfer der Gewaltherrschaft

Auch in diesem Jahr hat die AG Gedenken wieder an der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Reichspogromnacht teilgenommen und diese vor dem Rathaus Reinickendorf aktiv mitgestaltet. Neben Redebeiträgen des Bezirksbürgermeisters Frank Balzer und des tschechischen Vorsitzenden des Freundeskreises für deutsch-tschechische Verständigung Bohumil Rericha, wandte sich auch unsere Schülerin Sophia J. an die Anwesenden.

Mit Blick auf das sich neben dem Mahnmal befindende Rosenbeet, welches in Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen in Lidice gepflanzt worden war, sprach Sophia über die grausamen Ereignisse der Nacht vom  9. auf  den 10. Juni 1942 und deren Folgen. Sie berührte die Zuhörer*innen zudem mit der Mahnung in der heutigen Zeit des aufkommenden Rechtspopulismus und Nationalismus wachsam zu sein und aus der Geschichte zu lernen. Als Leitsatz wählte Sophia ein Zitat von Erich Kästner („in Memoriam memoriae“):

„Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet die Menschen um. Wer das, was schön  war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.“

 

2. Deutsch-Tschechischer Tag der AG Gedenken

Am 5. Oktober besuchten uns nach 2016 zum zweiten Mal Schülerinnen und Schüler des Christian Doppler Gymnasiums in Prag. Nachdem die tschechischen Jugendlichen unsere AG-Mitglieder im Sommer in Lidice mit einem Picknick versorgt und in Kleingruppen „ihr“ Prag gezeigt haben, war es nun an uns ebenso freundliche Gastgeber zu sein.

Durch das Unwetter am frühen Morgen musste das gemeinsame Gedenken am Rosenbeet beim Rathaus Reinickendorf leider ausfallen. So trafen wir uns stattdessen zu Kennenlernspielen, Ansprachen und einem gemeinsamen Frühstück in der Bertha. Dabei freuten wir uns auch über Gäste des Arbeitskreises Politische Bildung, die durch ihre Spende den deutsch-tschechischen Tag finanziert haben. Die Abiturientin Lina S. hat den Tag schönerweise mit vorbereitet und begleitet.

Gestärkt ging es dann in das Herz Kreuzbergs, wo die Jugendlichen in Kleingruppen eine Rallye bestritten. Neuland war dies zum Teil nicht nur für unsere internationalen Gäste. So erfuhren unsere Schülerinnen und Schüler an Orten wie der Warschauer Brücke, dem Bethanien, den Prinzessinnengärten oder der Bergmannstraße ebenfalls viel Neues der ganz eigenen Geschichte des Berliner Stadtteils.

Nach der Siegerehrung endete der zweite deutsch-tschechische Tag mit einer Einladung des Christian Doppler Gymnasiums an unsere AG für kommenden Sommer.

L. Ihsen, L. Kelp

 

 

 

Chronik der außerschulischen Aktivitäten der AG Gedenkstätten zwischen Juni 2015 und Juni 2017

In den vergangenen Jahren haben wir eher unregelmäßig über die AG berichtet, daher haben wir uns für einen zusammenfassenden Überblick entschieden: Aufgeführt werden nicht die regulären Treffen der AG in der Schule, sondern nur außerschulische Aktivitäten und Veranstaltungen mit schulexternen Gästen.

Juni 2015

Besuch in der Tschechischen Botschaft in Berlin - Thematisierung der tschechischen Kultur und der deutsch-tschechischen Geschichte.

Gedenkstättenfahrt nach Tschechien: Besuch der Deutschen Botschaft in Prag, Teilnahme an den Gedenkfeierlichkeiten in Lidice (Abendkonzert und Gedenkfeier zum Jahrestag der Vernichtung des Dorfes), Besichtigung Prags, Besuch des Museums in Lidice und Zeitzeugingespräch.

November 2015

Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am Rathaus Reinickendorf mit einer Rede der Schülerinnen Dorothea B. und Neele C.

Januar 2016

Teilnahme an der Veranstaltung im Rahmen des Holocaust-Gedenktages in der Mediothek. Der Holocaustüberlebenden Shaya Harshit reist mit seiner Familie an. Das Programm orientiert sich an dem Thema Gedenken in der 2. und 3. Generation, „Zeugen der Zeitzeugen“. Shaya reist mit seiner Familie an und wird von Dr. Lea Ganur von der Universität Haifa begleitet.

März 2016

Lesung von "Sonjas Tagebuch - Flucht und Alija in den Aufzeichnungen von Sonja Borus aus Berlin, 1941-1945" mit dem Herausgeber Dr. Klaus Voigt.

Besuch der Gedenkstätte Topographie des Terrors mit Führung und Diskussion.

Juni 2016

Gedenkstättenfahrt nach Tschechien: Besuch der Deutschen Botschaft in Prag, Führung: Das jüdische Prag (Besuch von Synagogen und dem alten jüdischen Friedhof),  Teilnahme an der Gedenkfeier zum Jahrestag der Vernichtung von Lidice, Besichtigung Prags, Besuch des Museums in Lidice und Zeitzeugingespräch.

Oktober 2016

Deutsch-tschechischer Tag: Besuch des Rosenbeets am Rathaus Reinickendorf, gemeinsames Frühstück und Kennenlernen in der Schule, Fahrt mit dem Ausflugsdampfer durch das Regierungsviertel.

November 2016

Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am Rathaus Reinickendorf mit einer Rede der Schülerinnen Dorothea B. und Julia S.

Januar 2017

Ein Filmteam des ARD-Hauptstadtstudios besucht die AG Gedenkstätten und dreht einen kurzen Beitrag zum Thema Holocaust-Gedenktag für die Sendung "Bericht aus Berlin" Besuch der Gedenkveranstaltung in der Synagoge Oranienburger Straße im Rahmen des jährlichen Holocaust-Gedenktages.

Februar 2017

Besuch des Jüdischen Museums, Führung und Workshop zum Thema Antisemitismus. Besuch von Prof. Dr. Benz in der Bertha für einen Vortrag zur Aktualität von Antisemitismus mit anschließender Diskussion.

Juni 2017

Gedenkstättenfahrt nach Tschechien: Teilnahme an der Gedenkfeier zum Jahrestag der Vernichtung von Lidice, Picknick mit tschechischen Schüler*innen, Besichtigung Prags unter Anleitung der tschechischen Schüler*innen, Besuch des Museums in Lidice.

Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück: Workshop zum Schicksal der Frauen aus Lidice.

Ausführliche Berichte zu früheren und einzelnen in der Chronik erwähnten Veranstaltungen finden sich unten stehend.

L. Ihsen, L. Kelp

 

 _______________________________________________________________________________

Auf Spurensuche der Frauen aus Lidice

In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni marschieren deutsche Polizisten unterstützt von tschechischen Einheiten und der SS in die kleine tschechische Dorfgemeinde Lidice ein, im Zuge einer willkürlichen Vergeltungsaktion für das Attentat an dem Reichsprotektor Reinhard Heydrich am 27.05.1942. Die Frauen des Dorfes werden von ihren Männern und Kindern getrennt und in einem mehrtätigen Transport ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit dem Attentat, sie wissen nichts über den Verbleib ihrer Männer und Kinder, sie wissen nichts über ihr eigenes Schicksal. „Lidice brennt“- das wird ihnen auf dem Weg zum Zug zugeflüstert. Sie können nicht ahnen, dass ihre Männer schon erschossen wurden und die meisten der Kinder kurze Zeit später in Chelmo ermordet werden würden. So gelangen sie am 14. Juni 1942 vor die Tore des KZ Ravensbrück.

Dies ist ein Lager, das sich seit seiner Eröffnung 1939 rasant ausdehnt (später kommen Lagerkomplexe mit Männern und jungen Mädchen hinzu) und das vorerst, anders als Ausschwitz oder Dachau, als Arbeitslager gilt. Später, gegen Ende des Krieges ab 1944, kamen dann auch Frauen aus Auschwitz oder Warschau hinzu, die aufgrund der Frontverschiebung von den Nationalsoziallisten verlegt werden. Der gewaltsame Eintritt durch das große Tor, das das Lager mit seinen drei Meter hohen Wänden umschließt, bedeutet einen Schritt in eine andere grauenhafte Welt. Rasierte Köpfe, Nummern, willkürliche Schläge und Entzug von Essen sollen jeder der Frauen ihre soziale und kulturelle Identität nehmen. Die Frauen erhalten lediglich einen Winkel, der sie einer Gruppe zuordnen sollte. Poltische Häftlinge, jüdische Häftlinge, sogenannte „Asoziale“, Sinti und Roma, religiöse Häftlinge und andere foltert und martert die SS in diesem Lager.

130.000 Frauen wurden in dem KZ in Fürstenberg an der Havel zum Arbeiten gezwungen geschunden, geschlagen und auf grauenhafte Art und Weise ermordet. Tagtäglich. Auch für die 196 Frauen aus Lidice, die nicht verstanden, warum sie in das Lager geschickt wurden, begann ein neues, schreckliches Leben. 12 Stunden arbeiten, schwere Prügelstrafen, Hunger, Misshandlungen und Leid quälten die Frauen dort endlose Tage, Monate und Jahre.  Der Traum und der Kampf sich selbst nicht zu verlieren und irgendwann aus diesem schrecklichen Albtraum befreit zu werden, war der Wunsch, den jede Frau im KZ Ravensbrück gehabt haben muss. Eine Solidarität wie man sie sich kaum vorstellen kann, muss in diesem Lager geherrscht haben. Ein Drang, andere am Leben zu erhalten, um selbst nicht unterzugehen. Zusammenhalt war eine Medizin gegen die Brutalität, die jede dieser Frauen, doch zumindest teilweise, brechen ließ. Denn allein der Glaube, die Hoffnung und das Zusammenstehen der Frauen untereinander hielt manche von ihnen bis zur Befreiung im April 1945 durch die Rote Armee am Leben. Die Solidarität war für die Häftlinge der einzige Weg zu überleben. Vielleicht und vor allem für die Frauen aus Lidice, die die ganzen Jahre davon träumten, ihre Familien wiederzusehen. 143 der insgesamt 196 Frauen kehrten nach dem Krieg in die Heimat zurück, wo ihr Leid jedoch kein Ende nahm.

Wir Schüler besuchten mit der Gedenkstätten-AG das ehemalige KZ Ravensbrück am 30. Juni 2017. Einen Ort, von dem 30.000 Frauen und Kinder nicht zurückkehrten. Dieser Schrecken ist nicht vorstellbar. Doch wurde uns ein umfangreicher Einblick in das Leben der Frauen gegeben. Unser Teamleiter begleitete uns über das Gelände, durch das Tor, in die Häuser der SS-Aufseherinnen (nur wenigen dieser Täterinnen wurde nach dem Krieg von den Alliierten der Prozess gemacht). In den Krematorien und dem Hauptlager, heute nur noch eine Fläche aus schwarzen Steinen, hielten wir inne. Nach diesen aufwühlenden Gang konnten wir uns noch auf die Spurensuche nach den Lidicer Frauen begeben, indem uns viele Quellen und Dokumente wie z.B. Zeitzeugenberichte zur Verfügung gestellt wurden. Trotz all dieser Informationen stellt sich dennoch die Frage, die sich auch die Frauen aus Lidice gestellt haben müssen: Warum?

Wir danken dem Leiter, der uns diese bewegende Geschichte nahegebracht hat und freuten uns auch sehr, dass die Abiturientin Lina S. uns begleitet hat.

Sophia Jung (Schülerin der Jg.St. 11)

Bericht zu Lidice

Vor 75 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 klopften deutsche und tschechische Soldaten sowie Polizisten an die Türen der tschechischen Dorfgemeinde Lidice, nicht weit von Prag.

27. Mai 1942: Eine Handgranate verletzt Reinhard Heydrich, Statthalter im besetzten Böhmen und Mähren, dritter Mann im NS Regime. Er erliegt kurze Zeit später seinen Verletzungen. Es folgen zahlreiche willkürliche Hinrichtungs- und Verhaftungswellen im Protektorat. Lidices Schicksal war besiegelt:

Die Familien des Dorfes wurden aus ihren Häusern getrieben. Die Männer, 184 an der Zahl, wurden in den Hof der Familie Horak gedrängt, an die Wand gestellt und nacheinander erschossen. Die Frauen brachten die Deutschen in die Schule der benachbarte Ortschaft Kladno, selektierten sie dort, trennten sie von ihren Kindern und brachten sie in Viehwaggons ins KZ Ravensbrück. Von den 103 Kindern des kleinen Dorfes wurden 88 wenige Wochen nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten von diesen ermordet, 82 in Chelmno vergast. Die restlichen 17 wurden zu „Germanisierungszwecken“ an SS-Familien verkauft oder in Lebensbornheimen umerzogen. Lidice selbst wurde mit samt seinen Häusern dem Erdboden gleichgemacht, der Fluss umgeleitet, der Friedhof geschändet. 

Heute ist es still im ehemaligen Lidice. Man läuft durch die neuangelegte Dorfstraße, grüne Wäldchen säumen die große Rasenfläche, über einen kleinen Bach gelangt man hinauf zum Berg auf dem früher die Kirche stand. Nur noch wenige erhaltene Grundsteine erinnern daran, dass an diesem Ort mal menschliches und kulturelles Leben gewesen ist. Trotz dieser Idylle will kein Gefühl der Ruhe aufkommen, denn Lidice verbildlicht den teuflischen Plan der Nationalsozialisten: Das Dorf für immer von der Landkarte und der kollektiven Erinnerung zu streichen. Und das haben sie fast geschafft. Fast.

Zum Gedenken an die verstorbenen Kinder wurde ein Denkmal errichtet. Der Betrachter blickt in 88 Augenpaare von Kindern, aufgestellt in vier Reihen. Kein Augenpaar blickt den Betrachter an. Sie drücken die Charaktereigenschaften der Kinder aus; sie suchen keinen Kontakt mit uns. Diese Kinder kennen uns nicht, aber wir glauben sie zu kennen. Wir erkennen sie in den Augen aller Opfer, aller Flüchtlinge, aller Vertriebenen, der Gefolterten und der Toten. Und dieses Erkennen und Erinnern stellt sich gegen das Vergessen zu dem die Nationalsozialisten das Dorf verurteilen wollten. Lidice lebt weiter.

 

Wir, Schüler des 9 und 11 Jahrgangs, kamen im Hotel in Kladno unter, 10 Minuten Fußweg von der Schule, in denen die Frauen und Kinder damals ihre letzten Stunden miteinander verbrachten.

Am 10. 06. 2017 besuchten wir die zentrale Gedenkveranstaltung, die einem Staatsakt glich, in der der Opfer gedacht wurde. Viele Länder und Stiftungen zeigten ihre Anteilnahme, indem sie Kränze sandten, die vor dem ehemaligen Massengrab der Männer niedergelegt wurden. Vor Ort trafen wir die Prager Schüler, die eng mit der Gedenkstätten AG unserer Schule in Kontakt stehen und uns ein Picknick bereiten mit abschließender Führung durch Prag. So lernten wir die netten Eckchen der schönen Stadt kennen, flanierten über die Burg zur Aposteluhr und weiter zur John Lennon Wall.

Der letzte Tag führte uns erneut nach Lidice, wo wir das neue Museum besuchten und das uns durch Videoaufnahme der Überlebenden teilweise die Zeitzeugin ersetzte, die nicht kommen konnte. Nach diesem aufwühlenden Besuch mit den vielen Bildern des Dorfes, seinen Menschen und der Schrecken, die dort geschahen, sah man das Gelände mit anderen Augen. Anders als am Vortag war das Gelände nun nicht mehr so voll besucht und man konnte sich auf das Gedenken besinnen. Ein junger Mann führte die Reisegruppe über das Arial und gab uns weitere interessante Informationen über die Geschichte Lidices und die Gedenkstätte, die 1945 errichtet wurde. Zum Abschluss stand eine Einladung der Bürgermeisterin, Frau Kellerova auf dem Programm, die uns zum Mittagsessen in der Galeria Lidice einlud.

 

Sophia Jung

 

 

Anmerkung: Sehr gefreut haben wir uns auch über den Besuch von Victoria und Antonia. Die beiden ehemaligen Schülerinnen der Bertha waren vier Jahre in der AG Gedenken und sind nun, zwei Jahre nach ihrem Abitur, privat angereist und haben sich unserer AG angeschlossen.

L. Ihsen, L. Kelp

GEDENKEN UND DISKURS

Universität an die Schule: Prof. Dr. Benz zu Besuch an der Bertha

Seit Anfang des Jahres beschäftigen sich viele Schüler und Schülerinnen an der Bertha mit einem neuen Diskurs: Was ist eigentlich Antisemitismus? Gibt es einen „Neuen Antisemitismus“, steigt Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft an und darf ich eigentlich an der Politik Israels Kritik üben?

Anlässlich des jährlich am 27. Januar stattfindenden internationalen Gedenktages für die Opfer des Holocausts als auch gleichzeitig des deutschen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus sind ca. 65 Schülerinnen und Schüler der Bertha bereits am 24. Januar 2017 der Einladung des Vereins „Initiative 27. Januar“ in die Synagoge in der Oranienburger Straße gefolgt, um dort an einer vom Verein organisierten Gedenkveranstaltung mit dem Titel „Vom Gedenken zur Kooperation: Die deutsch-israelischen Beziehungen – eine generationsübergreifende Aufgabe“ teilzunehmen. Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler hatten an diesem Abend unter anderem die Gelegenheit, die Worte und Gedanken des Holocaust-Überlebenden und Zeitzeugen Pavel Hoffmann zu erleben – eine Erfahrung, die – wie auch Pavel Hoffmann betonte – nachfolgende Schülergenerationen in dieser persönlichen Form aufgrund des baldigen Endes der persönlichen Zeitzeugenschaft nicht mehr machen werden können. In der Tat empfanden viele unserer Schülerinnen und Schüler die Rede des Zeitzeugen und die Schilderung seines Schicksals als sehr berührend. Mehrere Schülerinnen und Schüler meldeten im Nachgang zu dieser Veranstaltung – so vor allem in ihren Geschichts- und PW-Kursen – zurück, dass die Rede des Zeitzeugen Raum dafür geschaffen hat, die Veranstaltung als eine Veranstaltung des Erinnerns und Reflektierens, bei der man aus vergangenen Fehlern lernen kann, wahrnehmen zu können. Darüber hinaus fanden sie auch die vom Zeitzeugen gewählte Verknüpfung von Gedenken und Reflektion der heutigen Situation gelungen. Sicherlich interessant, aber teilweise auch irritierend war es für die Schülerinnen und Schüler auf dieser Gedenkveranstaltung zu beobachten, wie der Veranstalter das Anliegen interpretierte aus dem Erinnerungsvermögen der Vergangenheit über eine generationsübergreifende Zusammenarbeit in der Gegenwart Gestaltungskraft für die Zukunft zu gewinnen. So erlebten die Schülerinnen und Schüler, dass die Veranstaltung eine klare politische Ausrichtung hatte, bei der die Stärkung der deutsch-israelischen Freundschaft im Mittelpunkt stand und die israelsolidarische Ausrichtung spürbar war. Das in diesem Zusammenhang geäußerte Anliegen Wachsamkeit gegen jede Form von Antisemitismus zu zeigen, hat bei unseren Schülerinnen und Schülern im Nachgang der Veranstaltung weitere Fragen aufgeworfen, so dass aus einer in vielfacher Hinsicht interessanten Abendveranstaltung der Wunsch unserer Schülerinnen und Schüler nach der Eröffnung eines Diskurses zum Thema Antisemitismus bestand.

Es galt nun, diese Fragen zu klären und die Schülerinnen und Schüler in dem Diskurs zu unterstützen. So entstand in der AG Gedenkkultur die Idee, Herrn Prof. Benz, einen deutschen Historiker der Zeitgeschichte und ein internationaler Vertreter der Vorurteils-, NS- und Antisemitismusforschung, an unsere Schule einzuladen. Die Veranstaltung fand am 16. März in der Mediothek statt und wir lauschten vierzig Minuten der Vorlesung über Antijudaismus, modernen Antisemitismus, Antizionismus und sekundären Antisemitismus. Herr Benz erzählte von seinen Erfahrungen im politischen sowie Gedenkstätten-bereich, von seinen Erkenntnissen, die er – so kann man sagen – auch als Zeitzeuge in der jungen Bundesrepublik sammelte. Anschließend stellten die Schülerinnen und Schüler Fragen zum Thema, so zum Beispiel, ob Herr Benz es für möglich halte, dass Antisemitismus eines Tages ausstürbe oder ob Antisemitismus in unserer Gesellschaft überhaupt noch eine Relevanz besitze. Es kam die Frage auf, inwiefern die AfD antisemitisch sei. Im Bezug auf Islamfeindlichkeit wurde die These überprüft, ob man Antisemitismus mit Islamfeindlichkeit in Deutschland vergleichen könne. Darauf antwortete Herr Benz entschieden, dass es seiner Meinung nach Parallelen des Antisemitismus im 19. Jahrhundert und der Islamfeindlichkeit in der heutigen Bundesrepublik gebe, auch wenn er für diese These oft angegriffen worden sei.

Abschließend stellte er nochmals deutlich heraus, dass seine Forschung ergeben habe, dass Vorurteile stets von der Mehrheit ausgingen und die Betroffenen keine Schuld treffen würde.

Es war eine lehrreiche und intensive Veranstaltung, die bestimmt nicht alle Fragen eindeutig klären konnte, doch die Schülerinnen und Schüler in ihrem Diskurs weiterbrachte sowie zum Nachdenken anregte. Wir danken Herrn Prof. Benz herzlich für seinen Besuch an unserer Schule.

Zum Besuch der Neuen Synagoge am 24. Januar: Frau Rauther für den Fachbereich Ge/PW
Zur Veranstaltung mit Prof. Benz: Herr Ihsen und Frau Kelp (AG Gedenkkultur)

Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland ein gesetzlich verankerter Gedenktag, der den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist. Das Datum bezieht sich auf das Jahr 1945, als das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs befreit wurde. Im Jahr 2005 wurde der 27. Januar von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt.

Sechs Millionen als jüdisch definierte Menschen wurden nach dem Willen der Nationalsozialisten ermordet. Hunderttausende Sinti und Roma und Menschen mit Behinderung starben in den und durch die nationalsozialistischen Einrichtungen, ebenso wie Homosexuelle, politisch Andersdenkende und all jene, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten.

Die AG Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Europa des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner nimmt diesen Tag zum Anlass, um sich mit einer Ausstellung im Foyer der Schule vorzustellen. Auf neun Plakaten wird die Arbeit seit 2012 dokumentiert. Drei Schülerinnen sind seit den Anfängen dabei, 38 haben insgesamt an den unterschiedlichen Modulen und Exkursionen teilgenommen.

In diesem Jahr rückt der Fokus verstärkt auf den erinnerungspolitischen Diskurs. Der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit wird auf fünf weiteren Plakaten beispielhaft aufgezeigt.  Dabei wird deutlich, dass das Gedenken und die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten kontroverse Reaktionen hervorgerufen hat und auch weiter hervorruft.

Neben den Schwierigkeiten bei der Überführung der Täter (z.B. im Rahmen der Auschwitz-Prozesse), wird auch der Umgang mit den Opfern (Debatte um das "Denkmal für die ermordeten Juden in Europa"; der Kniefall Willy Brandts am "Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos") thematisiert. Zudem wird mit dem Historikerstreit eine Kontroverse um die Deutung des Dritten Reichs dargestellt. 

Eine erste Recherche zu den unterschiedlichen Themen fand im Rahmen einer Exkursion zum Haus der Wannseekonferenz am 17. Dezember 2014 statt. Dort legte eine Einführung in der Dauerausstellung durch den pädagogischen Dienst des Hauses den Grundstein für einen Workshop, der die strafrechtlichen, gesellschaftspolitischen und erinnerungspolitischen Folgen des Nationalsozialismus in den vier Besatzungszonen, in der Bundesrepublik und der DDR und in Deutschland seit 1990 thematisierte. In der Joseph Wulf Mediothek recherchierten die Schüler_innen jene Informationen, die in vertiefender Arbeit in der Schule und zu Hause zu der derzeitigen Ausstellung führten.

Am Abend des 27. Januar nahmen Schülerinnen der AG an der Gedenkveranstaltung "Lichterkette-Pankow" am ehemaligen jüdischen Waisenhaus in der Berliner Straße 120/121 teil. In Redebeiträgen wurde dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz gedacht. Zudem wurde vor den heutigen Formen des Antisemitismus und Rassismus gewarnt und für eine stärkere Willkommenskultur für Flüchtlinge plädiert. Auf der Kreuzung Breite/Berliner Straße endete die Veranstaltung mit einer Schweigeminute für die Opfer der Verbrechen der Nationalsozialisten.

Gegen das Vergessen - Der 9. November

Der 9. November ist ein geschichtsträchtiges Datum in Deutschland. Während in diesem Jahr bei zahlreichen Gedenkveranstaltungen insbesondere dem 25jährigen Jahrestag des Mauerfalls gedacht wurde, darf die Erinnerung an die Ereignisse der Reichspogromnacht 1938 nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Dieser 9. November 1938 wird gemeinhin als der Beginn einer staatlich verordneten gewalttätigen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung betrachtet. Nach Jahren der Stigmatisierung, Demütigung und Ausgrenzung,  entwickelte sich der in der Mehrheitsgesellschaft auf wenig Widerstand treffende Umgang mit den als jüdisch definierten Mitbürger_innen während des 2. Weltkriegs zum Holocaust.

Am Mahnmal für die Opfer der Gewaltherrschaft, lädt das Bezirksamt Reinickendorf gemeinsam mit dem Arbeitskreis Politische Bildung in jedem Jahr am 9. November zu einer Gedenkveranstaltung. Diese erinnert neben der Reichspogromnacht auch an die Opfer aus Lidice, für im Jahr 1995 ein Rosenbeet neben dem Rathaus Reinickendorf angelegt wurde. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 war das tschechische Dorf in einem Willkürakt von den Nationalsozialisten überfallen und zerstört worden. Die Angreifer ermordeten alle männlichen Bewohner. Die meisten Kinder wurden in den folgenden Wochen vergast. Die Frauen wurden in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Die AG Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Europa des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner beschäftigt sich insbesondere mit den Ereignissen in Lidice und beteiligte sich auch in diesem Jahr an der Gestaltung der Gedenkveranstaltung. Neben Redebeiträgen von Bezirksbürgermeister Frank Balzer und dem Vorsitzenden des Freundeskreises deutsch-tschechische Verständigung e.V., Bohumil Řeřicha, sowie der musikalischen Begleitung von Herrn Kantor Heinroth, hielten auch die Schülerinnen Victoria B. und Katalin H. eine vielbeachtete Rede (siehe unten).

Wir bedanken uns bei Victoria, Katalin und Antonia für ein starkes Plädoyer gegen das Vergessen und bei allen AG-Teilnehmerinnen für ihre Anwesenheit.

L. Ihsen, L. Kelp

Rede für den 9.November 2014

Zwischen dem Ende des Krieges und unserem Geburtsjahr liegt mehr als ein halbes Jahrhundert. Eine Zeitspanne, in der sich unsere Welt in stetigem Wandel befand, in der sich so vieles veränderte und die letztendlich unserer Welt ein neues Gesicht verlieh. Eine Zeitspanne, die einer Generation wie unserer das Vergangene oft abstrakt und unbegreifbar erscheinen lässt, sodass uns ein direktes Verständnis der Geschichte erschwert wird. Es sind oft nur Texte, die sachlich von den historischen Ereignissen berichten und versuchen, uns die Geschichte näher zu bringen. Das Leid des Einzelnen kann dadurch jedoch nur schwerlich erfasst werden. Deshalb gehen das Gedenken und der Grund, weshalb wir uns heute hier versammelt haben, zwingend über diese reine Sachlichkeit hinaus.

Seit mehreren Jahren beschäftigen wir uns nun als Schülerinnen des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner mit der Geschichte Lidices. Die Ereignisse der Nacht des 9. Juni 1942 sind zu einem Symbol der Grausamkeit des Nationalsozialismus geworden. Grausamkeit, die binnen einer Nacht zur Auslöschung eines gesamten Dorfes führte. Die Männer des tschechischen Dorfes, 325 an der Zahl, wurden allesamt gewaltsam ermordet. Im Anschluss an das Massaker wurden alle Frauen Lidices von ihren Kindern getrennt und in das Konzentrationslager in Ravensbrück deportiert. Ihre Kinder wurden bis auf wenige Ausnahmen vergast. Die wenigen unter ihnen, die den vermeintlich arischen Kriterien entsprachen, wurden zu sogenannten Germanisierungszwecken nach Deutschland gebracht.

Wir sind sehr dankbar, dass wir im Rahmen unserer Lidice-Reise die Möglichkeit hatten, mit einem der Überlebenden, Pawel Horesovsky, zu sprechen. Denn die Gelegenheit, sich mit ihm zu unterhalten, ließ die Geschichte für uns Schülerinnen aufleben und macht sie für uns wahrhaftiger. Ebenso macht es für einen das Wissen, an dem Ort zu stehen, an dem sich früher ein ganzes Dorf befand, in welchem unschuldige Menschen ihrem Alltag nachgingen, umso schockierender. Eine Erfahrung-viel intensiver und eindrucksvoller, als sie je durch ein Geschichtsbuch vermittelt werden könnte.

Gerade diese Art der Geschichtsvermittlung erhält mit verstreichender Zeit wachsenden Einfluss.

Denn wir befinden uns an dem Punkt, wo die Erinnerung der Menschen verblasst. Deswegen gewinnt die Gedenkkultur in unserer Gesellschaft an Bedeutung. Denn mit dem Verlust des aktiven Erinnerns droht uns der Bezug zu unserer Geschichte verloren zu gehen.

Einst sagte der Theaterregisseur und Essayist Benjamin Korn: "Der Mensch ist eine Maschine des Vergessens". Damit mag er wohl Recht haben, jedoch ist es unsere fortwährende Aufgabe dagegen anzukämpfen. Wir müssen uns unserer Vergangenheit stellen, wenn wir unsere eigene Zukunft aktiv und verantwortungsvoll gestalten wollen.

 

Gedenken in Lidice

Nachdem sich die AG Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Europa im März diesen Jahres in der Gedenkstätte Ravensbrück mit dem Schicksal der deportierten Frauen aus Lidice beschäftigt hat, fuhren wir vom 13. bis 15. Juni nach Tschechien.

Die Reise wird alljährlich vom Arbeitskreis Politische Bildung Vergangenheit - Zukunft organisiert und bietet unseren Schüler_innen sowie einer Gruppe der Gustav-Freytag-Schule die Möglichkeit, an den Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag des Überfalls auf das Dorf Lidice teilzunehmen. In einer willkürlichen Vergeltungsaktion war es in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 von nationalsozialistischen Einsatzkräften umstellt worden. Alle Männer ab 15 Jahre wurden erschossen, die Frauen und Kinder wurden zunächst in eine Turnhalle im nahe gelegenen Kladno gebracht. Nach drei Tagen wurden die Kinder ihren Müttern entrissen, nach rassischen Kriterien ausgesondert und ebenfalls ermordet,  wenige von ihnen kamen zu „Germanisierungszwecken“ in deutsche Familien. Die Frauen wurden in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Das Dorf wurde dem Erdboden gleich gemacht. Ab 1945 entstand an seiner Stelle eine Gedenkstätte.

Dieses Jahr bezogen wir das Hotel Kladno. Am Freitagnachmittag führte uns Pavel Horesovsky in die Turnhalle des Gymnasiums Kladno und schilderte die dortigen Ereignisse der Tage nach dem Überfall auf Lidice. Es waren nicht nur die beklemmenden Informationen alleine, die uns berührt haben, sondern auch die Tatsache, das Herr Horesovsky eines jener Kinder war, das damals von seiner Mutter getrennt wurde. Am Abend besuchten wir wie im letzten Jahr ein Freiluftkonzert in der Gedenkstätte in Lidice.

Am Vormittag des folgenden Tages fand die zentrale Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Lidice statt. Neben unterschiedlichen Reden (die uns später im Bus zusammenfassend übersetzt wurden), beobachteten wir die Kranzniederlegungen und erkundeten das gesamte Gelände, auf dem früher das Dorf Lidice stand.

Am Nachmittag stand die Erkundung Prags auf dem Programm. Nach einer interessanten Führung durch die Prager Burg bis zum Altstädter Ring bewegten sich die Schüler_innen in Kleingruppen durch die wunderschöne Stadt.

Der letzte Tag führte uns nochmals zur Gedenkstätte Lidice, wo wir das Museum besuchten. Leider konnte das geplante Gespräch mit der Zeitzeugin Mila Kalibová aus gesundheitlichen Gründen in diesem Jahr nicht stattfinden. Wir wünschen ihr gute Besserung und bedanken uns für den extra von ihr verfassten Brief, der in der Übersetzung vorgetragen wurde. Die Reisegruppe besuchte ein letztes Mal das Mahnmal der 82 ermordeten Kinder und das Rosenbeet. Zum Abschluss stand ein kurzer Besuch der Kinderkunstausstellung in der Galerie Lidice auf dem Programm sowie ein gemeinsames Mittagessen auf Einladung der Bürgermeisterin von Lidice, Frau Kellerova.

Herr Ihsen

Die Erinnerung darf nicht enden - Gedenkveranstaltung zum 9. November

Auch in diesem Jahr findet am Europäischen Gymnasium Bertha-von-Suttner wieder die AG Gedenkstätten statt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Verbrechen der Nationalsozialisten mit besonderem Augenmerk auf die Ereignisse in dem tschechischen Dorf Lidice, welches zum Symbol für die Verbrechen der Nationalsozialisten wurde. Bei dem Überfall in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 wurden alle Männer ermordet, ebenso wie die meisten Kinder. Nur wenige von ihnen überlebten  das Massaker, sie wurden von ihren Müttern getrennt und zu sogenannten "Germanisierungszwecken" nach Deutschland gebracht. Die Frauen wurden von den Nationalsozialisten in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Vor dem Rathaus Reinickendorf wurde 1995 auf Initiative von Ernst Froebel (Arbeitskreis Politische Bildung) ein Rosenbeet mit 50 Rosen aus Lidice eingeweiht. Dieses befindet sich neben dem Mahnmal für die Opfer der Gewaltherrschaft. Auch in diesem Jahr nahmen einige Schülerinnen der Gedenkstätten-AG an der Kranzniederlegung  zum Gedenken der Opfer der Novemberpogrome von 1938 teil.

Nach der Begrüßung der Gäste hielt Herr Bezirksstadtrat Höhne eine Ansprache, in der er an die Pogrome ebenso erinnerte wie an die Verbrechen in Lidice und auch zu einem menschwürdigen Umgang mit Flüchtlingen in diesen Tagen mahnte. Berührend war die Rede von Herrn Horešovský, eines jener wenigen überlebenden Kinder aus Lidice, dessen Worte durch Frau Rabe vom Arbeitskreis übersetzt wurden. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Herrn Heinroth.

Auch unsere AG war wieder aktiv an der Gestaltung beteiligt. So hielten Victoria B. und Antonia S. aus dem 11. Jahrgang eine Rede, in der sie auf die Notwendigkeit des Erinnerns hinwiesen (siehe unten). Wir bedanken uns bei den beiden für die sorgfältig gewählten Worte und auch bei den anderen anwesenden AG-Teilnehmerinnen.

Herr Ihsen, Frau Kelp

 

„Das ständige Gedenken treibt die Menschen vor sich her, von der Antike bis zur Neuzeit“ erläutert der Historiker Christian Meier. Trotzdem werde die Welt nicht friedlicher.

 

Wozu gedenken wir also? Wieso gedenken wir nach 68 Jahren noch immer den Opfern des Nationalsozialismus?

Gerade für unsere Generation ist es nicht leicht, Antworten auf diese Fragen zu finden. So erscheint uns Vergangenes oft abstrakt und ungreifbar. Und trotzdem nehmen wir heute als Schülerinnen des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner an dieser Gedenkfeier teil. Denn es ist zu einer langjährigen Tradition an unserer Schule geworden, sich mit den nationalsozialistischen Verbrechen, vor allem am Beispiel Lidices, zu befassen.

Diese Form der Aufarbeitung brachte uns erstmals die zukunftsweisende Funktion des Gedenkens näher.

Wir beschäftigten uns also mit Lidice, dem Dorf, das binnen einer Nacht verschwand. Diese Nacht vor 71 Jahren hatte zur Folge, dass 325 Menschen auf grausame Weise ihr Leben verloren. Die Männer des Dorfes wurden am 9. Juni 1942 allesamt im Hof der Famile Horák zusammengetrieben und exekutiert. Im Anschluss an das Massaker wurden alle Frauen Lidices von ihren Kindern getrennt und in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Ihre Kinder wurden bis auf wenige Ausnahmen in Vernichtungslagern vergast. Die Wenigen unter ihnen, die den vermeintlich arischen Kriterien entsprachen, wurden zu sogenannten "Germanisierungszwecken" nach Deutschland gebracht.

Es ist aus unserer heutigen Perspektive kaum vorstellbar, dass Menschen je gezwungen wurden, solches Leid zu ertragen. Diese Grausamkeit lässt sich nur schwer in Worte fassen. Wäre es in diesem Zusammenhang also nicht einfacher und bequemer für uns, die Vergangenheit ruhen zu lassen und zu vergessen?

Manchmal scheint es so, als wäre es einfacher die Geschichte zu vergessen, jedoch besteht die Notwendigkeit zu gedenken. Geschichte lässt sich nicht verdrängen und beiseiteschieben. Sie gehört zu unserem kollektiven Gedächtnis dazu. So gedenken wir heute an das Schicksal Lidices, das ein Symbol für alle nationalsozialistischen Kriegsverbrechen geworden ist.

Wir sind verpflichtet an Lidice zu gedenken, um den Menschen inhumanes Verhalten zu verdeutlichen und damit solch ein Leid zukünftig zu verhindern.

Deshalb ist es zwingend notwendig, dass wir unsere Geschichte aufarbeiten, uns ihrer bewusst bleiben und aus ihr lernen – ein wichtiger Grund dafür, dass wir gedenken. Letztendlich müssen wir auch rückwärts blicken, um nach vorne schauen zu können.

Wieso gedenken wir nun? Diese Frage beantwortete bereits der Bundespräsident Roman Herzog: "Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt."

 

 

Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft

Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft: Die AG zum Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Europa stellt sich vor.

Seit Jahren organisiert die Europäische Schule Bertha-von-Suttner eine Schülerfahrt zu der zentralen Gedenkveranstaltung nach Lidice. Das tschechische Dorf wurde in einer willkürlichen Vergeltungsaktion in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 von nationalsozialistischen Einsatzkräften umstellt und seine Bewohner zusammengetrieben. Alle Männer über 15 Jahre wurden erschossen, die Frauen in Konzentrationslager verschleppt und dort teilweise ebenfalls ermordet. Die Kinder des Dorfes wurden nach rassischen Kriterien ausgesondert und ebenfalls ermordet, dreizehn von ihnen kamen zu „Germanisierungszwecken“ in deutsche Familien. Das Dorf wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Zwölf Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 9 - 11 setzen sich dieses Schuljahr in mehreren Modulen mit dem Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen mit dem Schwerpunkt Lidice auseinander.

In einem ersten Treffen im Oktober stand zunächst das Gedenken im Mittelpunkt. Wir stellten uns die Frage, inwiefern dies notwendig und zukunftsweisend sein kann, welche Gedenkformen es gibt und welche Bedeutung dieser Begriff für jeden von uns hat. Die Ergebnisse unserer Arbeit wurden an den Beispielen des Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, des Projekts der Stolpersteine sowie der Internetpräsenz von KZ-Gedenkstätten untersucht.

In einem weiteren Modul setzten wir uns mit der nationalsozialistischen Ideologie als Grundlage für die begangenen Verbrechen auseinander, zudem wurden wichtige Etappen der nationalsozialistischen Herrschaft vor und während des Zweiten Weltkriegs besprochen. Die Schüler_innen lernten den Alltag im tschechischen Dorf Lidice vor seinem schrecklichen Ende anhand von Fotos und persönlichen Erinnerungen kennen. Zudem wurden die Ereignisse der Nacht des 9. auf den 10. Juni 1942 erarbeitet und besprochen.

Am 9. November nahm unsere AG an der Kranzniederlegung zum Gedenken der Opfer der Novemberpogrome von 1938 am Mahnmal für die Opfer der Gewaltherrschaft vor dem Rathaus Reinickendorf teil. Dort befindet sich auch ein Rosenbeet, das an die Verbrechen in Lidice erinnert und seit Jahren abwechselnd von Schülern der Gustav-Freytag-Schule sowie der Europäischen Schule Bertha-von-Suttner gepflegt wird. Vor Ort folgten wir den Ansprachen des Bezirksbürgermeisters Herrn Balzer sowie des stellvertretenden Bürgermeisters Herrn Höhne. Zudem war die Bürgermeisterin Lidices, Frau Kellerová, angereist und hielt eine kurze Ansprache. Ein Chor der Gustav-Freytag-Schule begleitete die Gedenkveranstaltung. Auch unsere AG brachte sich aktiv in die Gestaltung ein: Hagen v. C . aus dem 9. Jahrgang hielt eine vielbeachtete Rede, in der er auf die nationalsozialistischen Verbrechen hinwies und unsere Aufgabe, diese aufzuarbeiten, um verantwortlich unsere Zukunft gestalten zu können, schilderte. Die Rede befindet sich im Anhang. Die AG wird auch im kommenden Jahr aktiv bleiben, bevor auch wir am Wochenende um den 15. Juni 2013 gemeinsam mit und unterstützt vom Arbeitskreis Lidice nach Tschechien fahren werden und dort an der Gedenkveranstaltung teilnehmen. Wir möchten uns an dieser Stelle für das Engagement die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler bedanken, mit denen wir sehr intensive Nachmittage an unserer Schule verbringen.

Frau Kelp / Herr Ihsen

 

Rede des Schülers Hagen v. C.:

Vor 70 Jahren, am 9. Juni 1942, war das kleine tschechische Dorf Lidice von deutschen Soldaten umstellt. Alle Männer des Dorfes, es waren 172, wurden im Hof der Familie Horák zusammengetrieben. Dort wurden sie erschossen. Auch die Frauen und Kinder wurden aus ihrem gewohnten Alltag gerissen. Die Kinder wurden ermordet oder in Umerziehungslager gebracht, die Frauen in Konzentrationslager verschleppt, wo die meisten von ihnen später ermordet wurden. Sieben Frauen waren zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 1942, schwanger.Man brachte sie nach Prag, um ihre Kinder zu gebären. Unmittelbar nach ihrer Geburt wurden die Kinder von ihren Müttern getrennt. Und auch das Schicksal dieser Frauen war das Konzentrationslager. Lidice selbst wurde dem Erdboden gleichgemacht. Es sollte von der Landkarte verschwinden. Die Nazis gaben vor unter den Dorfbewohnern Unterstützer des Widertstands zu wissen. Deshalb sollte ein Exempel für die uneingeschränkte Macht der Nazis demonstriert werden. Was an diesem Tag geschah war ein sinnloses Verbrechen an den Menschen Lidices, ein grausamer Akt eines grausamen Systems.

Was wir im Gedenken an die Bewohner Lidices nicht vergessen dürfen ist, dass auch heute Kriegsverbrechen an vielen Orten auf der Welt immernoch geschehen. Die Zivilbevölkerung wird dabei zum Opfer sinnloser Gewaltakte.                                              

Warum gedenken wir also? Die Vergangenheit lässt sich nicht leicht bewältigen, schon gar nicht die der nationalsozialistischen Zeit. Wir erhalten die Erinnerung aufrecht, weil wir eine Verantwortung haben, nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft. Denn wir sind es, die sie gestalten.