Erfahrungen im Umgang mit dem MSA im Fach Ethik
- Einige Zahlen zur Einleitung
An unserer Schule absolvierten im April 2010 29 Schüler und Schülerinnen der 10. Klasse und damit 5,5% aller Schüler dieser Klassenstufe ihre Präsentationsprüfung im Fach Ethik. Der Notendurchschnitt liegt bei 1,4 und liegt somit um 0,4 Punkte über dem Gesamtschnitt. Auffallend ist, dass der überwiegende Teil der Schüler und Schülerinnen aus den grundständigen Klassen kommt. - Chancen für das Fach Ethik
Ein kompletter Durchgang von Klasse 7 bis 10 ist mit diesem Schuljahr erreicht: eine erfolgreiche Einführung eines neuen Fachs liegt hinter uns! Es ist sicher von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die schulinterne Platzierung des Faches Ethik, dass es ab Frühjahr 2010 von den Schülern als Präsentationsfach im MSA gewählt werden kann. Zum einen erfährt das Fach eine systemische Gleichberechtigung: Ethik ist nun ein reguläres Prüfungsfach, wird dadurch ernster genommen. Zum anderen wird es nunmehr für eine nicht unerhebliche Anzahl von Schülern attraktiver: Dadurch, dass sie ihr Interesse am Fach und seinen Inhalten in eine Prüfung kanalisieren können, ergeben sich vice versa positive Verstärkungen für den Unterricht. Zusätzlich wird durch eine in Ethik durchgeführte Präsentationsprüfung das Interesse an Philosophie in den Abiturprüfungen sehr spürbar gestärkt.
Das Fach Ethik bietet mit seinen vielfältigen Fragestellungen und komplexen Themengebieten vielleicht wie kein anderes Fach Schülern und Schülerinnen die Chance eine methodisch ansprechende und inhaltlich überzeugende Präsentation zu gestalten.
Damit die Beratung im Vorfeld und die Durchführung der Prüfungen solide begleitet werden können, haben sich als wesentliche Voraussetzung für ein gutes Gelingen folgende Punkte bewährt: - Systematische Voraussetzungen
Die systematischen Grundlagen sind im Ethikfachbrief Nummer 3 übersichtlich und umfassend dargestellt. Daher soll hier nur kurz noch einmal auf die wichtigsten Punkte eingegangen werden.
- Die Prüfung ist eine Gruppenprüfung von zwei Schülern, nur auf besonderen Antrag kann eine Einzelprüfung genehmigt werden.
- Die Schüler suchen sich selbst einen Partner. Es werden also von zwei Schülern zwei verschiedene Aspekte eines thematischen Zusammenhangs präsentiert. Die Aufteilung der Zeit muss sinnvoll sein, es ist nicht unbedingt notwendig, dass erst Kandidat A, dann Kandidat B jeweils 7 Minuten präsentiert.
- Die eigentliche Präsentation dauert pro Kandidat 7 Minuten, das anschließende Kolloquium ebenfalls jeweils 7 Minuten.
- Beide Kandidaten werden getrennt bewertet.
- Im Januar werden die endgültigen Themen erteilt, dann sind es noch circa 8 Wochen bis zum Termin der Präsentation. Danach legen die begleitenden Lehrer zwei weitere Termine zur Beratung fest (z.B. 6 Wochen und 2 Wochen vor der Prüfung). Hier geht es um die Begleitung und Kontrolle der bislang geleisteten Recherche sowie das Thesenpapier.
- Die Beratungen werden von den Schülern bestätigt .Hier hat sich folgendes Arbeitspapier bewährt:
Themenfestlegung für die Prüfung in besonderer Form zum MSA
Klasse: Name:
Der Prüfungsausschuss für den Mittleren Schulabschluss hat über die Themen in besonderer Form beraten und das am beantragte Thema bestätigt oder wir folgt festgelegt:
Thema:
Zugeordnetes Fach: Lehrer:
Schul-Beamer: ( ) Schul-Laptop: ( ) DVD/Video: ( ) CD: ( )
Einzelprüfung: ( )
Die Präsentationsprüfungen werden vom bis zum in der Zeit von Uhr durchgeführt. Eine genaue Zeitplanung für diese Prüfungstage wird rechtzeitig veröffentlicht. Es liegt in der eigenen Verantwortung der Kandidaten, dass die Präsentation zum oben genannten Thema termingerecht vorliegt. Bei Nichtvorhandensein einer Präsentation ist die Prüfung nicht bestanden! Beratungen erfolgen durch die zuständige Lehrkraft. Für die Teilnahme an den Beratungsgesprächen wird ein entsprechender Nachweis geführt, der die fristgerechte Vorbereitung und die Einhaltung der Zielsetzung bezüglich der Themenstellung kontrolliert (siehe unten).
Beratungstermine:
Datum.......... Inhalt/Bemerkungen...........Unterschrift/Schüler
Hinweise:
- Der genaue persönliche Präsentationstermin wird mit dem Prüfungsplan rechtzeitig vor dem oben genannten Termin veröffentlicht.
- Eine Beratung zum Thema erfolgt durch die zuständige Lehrkraft.
- Der verantwortliche Lehrer muss nicht gleichzeitig auch prüfender Lehrer sein. Die Festlegung des prüfenden Lehrers trifft der Prüfungsausschuss.
- Fremdes Material muss als solches gekennzeichnet werden. Wird im Extremfall die Eigenständigkeit durch bloße Übernahme von „Fertigteilen“ anderer Quellen angezweifelt, kann dies zur Minderung der Gesamtleistung oder zum Urteil „ungenügend“ führen.
- Die Ergebnisse der Präsentationsprüfung werden bekannt gegeben, die Ergebnisse aller anderen Prüfungen werden kurz vor Schuljahresende bekannt gegeben.
(Unterschrift Prüfungsausschuss) .......................... (Datum, Ort)
4. Aufgabenbeispiele für MSA Präsentationen in Ethik
1. Thema: Cybermobbing - Ist das Internet ein rechtsfreier Raum?
2. Thema: Sucht und Abhängigkeit - Wie viel Verantwortung trägt jeder für sich selbst?
3. Thema: Die Ästhetik des Menschen – Kunstschönheit versus Naturschönheit?
4. Thema: Sollte man Menschen auch gegen ihren Willen aus einer gefährlichen Sekte befreien?
5. Thema: Sind Tierversuche ethisch vertretbar?
6. Thema: Graffiti - Kunst oder Vandalismus?
7. Thema: Neonazis im 21. Jh. - Harmlose Rechtsorientierte oder internationale Gefahr?
10. Thema: Können behinderte Menschen am gesellschaftlichen Leben umfassend Teil haben?
11. Thema: Kann Suizid moralisch bewertet werden?
5. Holpersteine bei der Durchführung des MSA
5.1. Pädagogisches Paradox
Die Schüler sollen im MSA etwas tun, was sie vorhin in der Form noch nie tun mussten, also eigentlich noch nicht können, sondern mit Hilfe des Lehrers erst lernen müssen. Der Lehrer soll den Schülern etwas nahe bringen, was diese nur aus sich selber heraus vorbringen können. Kant hat dieses pädagogische Paradox auf die einprägsame Formel gebracht: „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?“ (Immanuel Kant: Über Pädagogik) Wegen der den Schülern besonders im MSA grundsätzlich zukommenden Freiheit und Verantwortung kann der Prozess der Verselbständigung nur von ihnen selbst, d.h. in Selbsttätigkeit geleistet werden. Die pädagogische Unterstützung liegt m.E. in einer intensiven Betreuung, die aber stets an den Gedanken der Selbstverantwortung zurückgebunden wird.
5.2. Didaktische Differenz
Schulische Unterrichtsfächer verweisen auf wissenschaftliche Disziplinen. Zwar kann das, was in den Fächern vermittelt werden soll, nicht einfach aus der Wissenschaft abgeleitet werden, sondern bedarf einer didaktischen Begründung, doch darf das, was so begründet vermittelt werden soll, wissenschaftlicher Erkenntnis nicht widersprechen. Die Wissenschaft kann demnach nicht als alleinige Legitimationsinstanz für die Auswahl der Inhalte fungieren, wohl aber als Wahrheitskriterium. Aus der ethischen Perspektive müssen wir diese Denkrichtung umkehren: Die Gegenstände müssen in den Handlungszusammenhang zurückgeholt werden, aus dem sie um der objektiven Erkenntnis willen entlassen wurden; die erkannten Objekte müssen auf ihre Bedeutung für das Erkenntnissubjekt hin befragt werden. Dies hat sich im MSA in zweierlei Hinsicht gezeigt. Zum einen dann, wenn objektive Kriterien, wenn Wissenschaftlichkeit fehlte. Dies kann sich in einer von Schülern durchgeführten Umfrage zeigen, die nicht kritisch betrachtet wird, oder auch bei der Aufbereitung von Themen, zu denen es zu wenig „objektive“ Materialien gibt, so dass eine Nachvollziehbarkeit nicht mehr gegeben ist. Auf die Nachfrage während einer Prüfung zu den Quellen hieß es: „Irgendwo aus dem Internet.“ Zum anderen sollen die Prüfungen eben keine Zusammenfassungen von Zusammenfassungen aus Lexikon- oder Internetartikel im Sinne reiner Reproduktionen darstellen; genauswenig wie eine Doktorarbeit. Die Thematik muss in Schwere und Umfang also vom Schüler zu bewältigen sein.
5.3 Zweifache ethische Brille
Schwierig aus ethischer Perspektive erscheint der Umgang mit Gruppenprüfungen immer dann, wenn lediglich ein Schüler das Thema ethisch reflektiert. Ungünstig ist beispielsweise bei dem Oberthema Moralische Probleme bei der PID, wenn ein Schüler ausschließlich nur das medizinische Verfahren der Präimplantationsdiagnostik erläutert und ein anderer ausschließlich die moralischen Probleme bei der Präimplantationsdiagnostik. Jeder Schüler sollte auch einen Anteil an der ethischen Problematik in seinem Präsentationsteil reflektieren.
5.4. Misstöne zwischen Thema, Inhalt und Präsentation
Bei einigen Prüfungen zeigte sich ein Missverhältnis zwischen dem formulierten Thema und dem in der Präsentation gezeigten Inhalt. Das Thema muss in der vorgegebenen Zeit zu behandeln sein, die Leitfrage wirft einen spezifischen Aspekt auf, der sich wie ein roter Faden durch die Präsentation zieht. Die Leitfrage wird in der Einleitung formuliert und in der Zusammenfassung beantwortet. Der Inhalt des Themas muss in der Vorbesprechung geklärt werden. Die Präsentation muss mediengestützt sein. Es wird aber der Vortrag gewertet, die Medien haben nur eine unterstützende Funktion! Der Schüler muss sich folgende Fragen stellen: Was will ich zeigen? Wie will ich es zeigen? Welche Funktion haben verwendete Grafiken, Bilder etc.? Ein Hinweis noch zur Technik: Die Technikvorbereitung liegt in der Hand der Schüler. In jedem Fall muss vorher ein Technikcheck durchgeführt werden. Die Schulcomputer haben u.U. Schwierigkeiten mit den neuesten Programmversionen. Erfahrungsgemäß ist es nicht ohne Schwierigkeiten möglich, einen eigenen Laptop an einen Beamer der Schule anzuschließen. Hilfreich ist es, für die Prüfung alle „Folien“ auch wirklich als Folien dabei zu haben, damit zur Not der Vortrag auch mit einem OH-Projektor gehalten werden kann.
6. Ausblick und Strategien zur Optimierung
Das Fach Ethik mit seinen vielfältigen und interessanten Themen wird sicherlich in den kommenden Jahren noch stärker von den Schülern als Prüfungsfach wahrgenommen werden. Dabei ist die Erhaltung der Themenvielfalt ein Ziel, gleichwohl müssen die Themen auch immer wieder ethisch rückbezogen werden, um einer Beliebigkeit entgegenzuwirken. Dies muss den Schülern deutlich sein. M.E. müssen generell die Anforderungen genau markiert werden, indem gewisse Standards gesetzt werden (bspw. verpflichtende Abgabe von Gliederung und Quellenverzeichnis vor der Prüfung). Zusätzlich müssen die Grenzen zur Philosophie der Jahrgangstufe 11 und 12 fließender werden, damit beide Fächer noch stärker in Zukunft wechselseitig voneinander profitieren können.
Martina Denda, 26.05.2011