Leistungsbeurteilung im Ethikunterricht

0 Problemaufriss:
Ist die schulische Leistungsbeurteilung und Notengebung mit dem Konzept des Ethikunterrichts vereinbar? Oder entzieht sich nicht die durch den Ethikunterricht angestrebte Haltung der Moralität ohnehin jeder Beurteilung und führt jede im Unterricht geführte Diskussion ad adsurdum?
Dies ist nicht bei allen Schülerleistungen, die der Ethikunterricht anzielt, in gleicher Weise der Fall. Unterscheidet man hier zwischen Unterrichtsaufgabe und Erziehungsaufgabe, so gilt, dass sich die als Ergebnis des Unterrichts angestrebten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten durchaus operationalisieren und überprüfen lassen.
Die Überprüfbarkeit solcher kognitiven Unterrichtsziele wird auch i.d.R. nicht bestritten. Anders verhält es sich mit der als Ergebnis der Erziehungsaufgabe angestrebten Werturteilsfähigkeit des Schülers. Weil die vom Schüler erwartete Wertung und Bewertung des Gelernten letztlich in seiner Sinnentscheidung wurzelt, entzieht sie sich der Operationalisierung. Eine so verstandene ethische Erziehung ist weder affirmativ noch adversativ: Sie unterwirft die SchülerInnen nicht einer vorgegebenen Moral, sondern lässt sie frei werden in der Haltung der Moralität. Wollte man sie beurteilen und zensieren, müsste man über Kontrollaufgaben vorweg festlegen, was als richtige Wertung zu gelten hat und vermittelt darüber, worin der Sinn des Lebens und der Welt besteht. Weil man dies in einer pluralistischen Gesellschaft nicht wollen kann, muss sich die schulische Leistungsbeurteilung auf die Überprüfbarkeit der unterrichtlich vermittelten kognitiven Ziele beschränken.
Der folgende Artikel versucht herauszustellen, welchen Stellenwert die Leistungsbeurteilung im Ethikunterricht folglich haben muss und welche Kategorien sie erfüllen sollte, um der Besonderheit des Faches Ethik Rechnung zu tragen und in ihren Kategorien für die SchülerInnen plausibel zu sein.

1 Gegenstand der Leistungsbeurteilung im Fach Ethik
Die rechtlich verbindlichen Grundsätze der Leistungsbewertung sind in der Sek I-VO § 18 sowie im Berliner Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe 1 Ethik dargestellt. Da im Pflichtunterricht des versetzungsrelevanten Faches Ethik keine Klassenarbeiten vorgesehen sind, erfolgt die Leistungsbewertung ausschließlich im Beurteilungsbereich "Sonstige Leistungen im Unterricht". Dazu zählen alle „mündlichen, schriftlichen und praktischen Unterrichtsbeiträge sowie […]Tests“ (Berliner Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe 1 Ethik, S.25). Dabei ist im Verlauf der Sekundarstufe I durch eine geeignete Vorbereitung sicherzustellen, dass eine Anschlussfähigkeit für die Überprüfungsformen der gymnasialen Oberstufe gegeben ist.
Der Bewertungsbereich „Sonstige Leistungen im Unterricht“ erfasst die Qualität und die Kontinuität der mündlichen und schriftlichen Beiträge im unterrichtlichen Zusammenhang. Mündliche Leistungen werden dabei in einem kontinuierlichen Prozess vor allem durch Beobachtung während des Schuljahres festgestellt. So bezieht sich die Leistungsbewertung insgesamt auf die im Zusammenhang mit dem Unterricht erworbenen Kompetenzen. Was zu den sonstigen Leistungen im Fach Ethik zählen kann, dokumentiert die folgende Übersicht.


Was wird nun aber inhaltlich bewertet? Dazu gibt der erste Lehrbrief Ethik auf S.4 präzise Auskunft: „Selbstverständlich für uns alle ist, dass nicht die Gesinnung, Weltanschauung, das religiöse Bekenntnis usw. Gegenstand der Notengebung sind, sondern die Fähigkeit, unter ethischen Aspekten über Phänomene und Probleme nachzudenken. Dazu gehören zum einen die methodische Kompetenz (Erkennen der ethischen Fragestellung, Einnahme verschiedener Perspektiven und Positionen sowie deren Erörterung, Differenziertheit der Argumentation, Formulieren begründeter Stellungnahmen) und zum anderen das Einbringen von Kenntnissen in den drei Perspektiven […]“
Als für das Fach Ethik relevante Aspekte gelten die Fähigkeit, sich in andere Sichtweisen hineinzuversetzen und diese differenziert widerzuspiegeln sowie die Fähigkeit zur diskursiven Auseinandersetzung in verschiedenen Sozialformen des Unterrichts. Damit verbunden ist ein respektvoller und sachorientierter Umgang mit den Beiträgen anderer. Ein weiteres fachspezifisches Kriterium der Leistungsbeurteilung im Ethikunterricht ist eine kritische Auseinandersetzung mit Problemstellungen, eine stringente Argumentation, mit dem Ziel selbständiger Urteilsbildung. Ein Hauptaugenmerk kommt der Qualität der Gestaltung praktischer Arbeiten zu (Plakate, Szenische Darstellungen etc.). Schlussendlich ist auf die Verwendung der Fachsprache in schriftlichen und mündlichen Beiträgen zu berücksichtigen.
Entsprechend sind die Kompetenzerwartungen im Lehrplan jeweils in ansteigender Progression und Komplexität formuliert. Dies führt dazu, dass Unterricht und Lernerfolgsüberprüfungen darauf ausgerichtet sein müssen, SchülerInnen Gelegenheit zu geben, grundlegende Kompetenzen, die sie in den vorangegangenen Jahren erworben haben, wiederholt und in wechselnden Kontexten anzuwenden. Für Lehrerinnen und Lehrer sind die Ergebnisse der Lernerfolgsüberprüfungen Anlass, die Zielsetzungen und die Methoden ihres Unterrichts zu überprüfen und ggf. zu modifizieren.
Gemeinsam ist den zu erbringenden Leistungen, dass sie in der Regel einen längeren, zusammenhängenden Beitrag einer einzelnen Schülerin bzw. eines einzelnen Schülers oder einer Schülergruppe darstellen, der je nach unterrichtlicher Funktion, nach Unterrichtsverlauf, Fragestellung oder Materialvorgabe einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad haben kann.
Die Beurteilung von Leistungen soll demnach mit der Diagnose des erreichten Lernstandes und individuellen Hinweisen für das Weiterlernen verbunden werden. Wichtig für den weiteren Lernfortschritt ist es, bereits erreichte Kompetenzen herauszustellen und die SchülerInnen zum Weiterlernen zu ermutigen. Dazu gehören auch Hinweise zu individuellen Lernstrategien.
Ein isoliertes, lediglich auf Reproduktion angelegtes Abfragen einzelner Daten und Sachverhalte kann dabei den zuvor formulierten Ansprüchen an die Leistungsfeststellung nicht gerecht werden.

2 Funktionen der Leistungsbeurteilung im Ethikunterricht
Das Motiv der Leistungserfüllung wird der Schüler und die Schülerin i.d.R. nur dann für sich übernehmen, wenn ihm dieser Sinn einsichtig ist, d.h. wenn es für die Aufgabenerfüllung vernünftige, einsehbare und nachvollziehbare Gründe (Kriterien) gibt. Schulische Leistungsbeurteilung im Fach Ethik ist deshalb darauf verwiesen, Begründungen und Ziele der geforderten Leistungen zu thematisieren und in einer dem Adressaten gemäßen Weise zu erörtern. Nur so ist es dem Schüler möglich, einen Gütemaßstab mit Begründungen für verbindlich zu halten und bestrebt sein, diesen zu erreichen. Die Leistungsbeurteilung hat für den Schüler verschiedene Funktionen:
Beurteilungen seiner Leistung geben dem Schüler Auskunft über den Erfolg seines Bemühens im Blick auf das angestrebte Ziel und sein eigenes Vermögen.
Die Leistungsbewertung zeigt dem Schüler vorhandene Schwächen, Versäumnisse und Defizite auf und gibt Hinweise auf Fehlerquellen und Verbesserungsmöglichkeiten.
Leistungsüberprüfungen bieten dem Schüler Gelegenheit, seine Kräfte zu erproben und sich an Aufgaben zu bewähren. Sie motivieren zur Leistung und spornen an, alle Kräfte zu mobilisieren.

3 Qualität der Leistungsbeurteilung
Damit die schulische Leistungsbeurteilung im Fach Ethik die oben dargestellten Merkmale erfüllen kann, muss sie eine Qualität aufweisen, als deren Hauptgütekriterien Objektivität, Gültigkeit und Zuverlässigkeit gelten. Voraussetzung für einen diesen Kriterien entsprechenden Qualitätsstandard der Beurteilung ist es, dass die zu beurteilende Schulleistung objektivierbar, d.h. der Beobachtung und empirischer Überprüfung zugänglich ist. Dies ist nicht bei allen Schülerleistungen, die der Ethikunterricht anzielt, in gleicher Weise der Fall. Unterscheidet man hier zwischen Unterrichtsaufgabe und Erziehungsaufgabe, so gilt, dass sich die als Ergebnis des Unterrichts angestrebten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Regel durchaus operationalisieren und überprüfen lassen.


Die Beurteilungskriterien müssen mit den SchülerInnen geklärt werden, damit sie verstehen, was von ihnen erwartet wird und wie ihr Lernprozess beurteilt wird. Es ist sinnvoll, in diesen Klärungsprozess die Eltern einzubeziehen (bspw. durch Verteilen des Beurteilungsbogens 1 beim Elternabend an die Eltern). Als funktional hat sich eine geordnete Selbstbeurteilung der SchülerInnen herausgestellt. Dazu erhalten die SchülerInnen quasi denselben Beurteilungsbogen, den die Lehrer nutzen. Die Ergebnisse müssen verglichen und bei signifikanten Unterschieden besprochen werden.

Martina Denda, 26.05.2011