Erasmus+ Job Shadowing in Finnland – Lernen über Grenzen hinweg

Vom 6. bis 10. Oktober 2025 besuchten Dr. Tobias Blasche (Mathematik, Physik, Informatik) und Juliane Kriesmann (Englisch, Biologie, CLIL) das Kuninkaantien lukio in Espoo, Finnland. Im Rahmen des Erasmus+ Job Shadowing-Programms erhielten sie wertvolle Einblicke in das finnische Schulsystem, den Unterrichtsalltag und die vielfältigen Wege, wie Digitalisierung und Medienbildung erfolgreich umgesetzt werden können.

Lernen mit Verantwortung – das finnische Bildungssystem im Überblick

Im finnischen Gymnasium, dem lukio, steht die Eigenverantwortung der Schüler*innen im Mittelpunkt. Sie gestalten ihren Stundenplan individuell, wählen Kurse nach Interesse und tragen selbst die Verantwortung für ihren Lernfortschritt. Dieses hohe Maß an Freiheit fördert Selbstorganisation, intrinsische Motivation und reflektiertes Lernen.

Darüber hinaus beeindruckt die strukturelle Klarheit des Systems: Das Schuljahr ist in fünf sechswöchige Lernperioden gegliedert, nach denen jeweils digitale Prüfungen stattfinden. Transparente Leistungsbewertung und klar formulierte Lernziele sorgen für Orientierung und Fairness.

Digitalisierung als Chance – und Herausforderung

Die Schule ist technisch hervorragend ausgestattet: Schüler:innen erhalten ab der 10. Klasse einen Laptop von der Stadt, Unterrichtsmaterialien werden digital bereitgestellt, und Plattformen wie WILMA (vergleichbar mit WebUntis, aber umfänglicher) oder Google Classroom erleichtern Organisation, Kommunikation und Feedback. Diese konsequente Digitalisierung schafft Chancengleichheit und ermöglicht einen zeitgemäßen Unterricht. Interessant war auch der Einblick in die Arbeit des Social Media Teams, in dem Schüler:innen selbst Verantwortung übernehmen und ihre Schule auf Plattformen wie Instagram und TikTok präsentieren.

Gleichzeitig zeigte sich, dass ständige Verfügbarkeit digitaler Geräte auch neue Herausforderungen mit sich bringt. Einzelne Schüler:innen lassen sich im Unterricht gelegentlich durch Handy- oder Laptopnutzung ablenken, und die permanente Bildschirmarbeit kann Konzentration und Lernrhythmus beeinträchtigen.

Gesundheit, Wohlbefinden und Unterstützung

Ein zentraler Aspekt des finnischen Systems ist die umfassende Förderung von Wohlbefinden und mentaler Gesundheit. Schulpsycholog:innen, Sonderpädagog:innen, Sozialarbeiter:innen und eine Krankenschwester arbeiten eng zusammen, um Lernende individuell zu begleiten – ob bei Lernschwierigkeiten, psychischen Belastungen oder organisatorischen Problemen. Diese Haltung spiegelt ein Verständnis von Schule wider, das Bildung als ganzheitlichen Prozess begreift – mit Raum für Persönlichkeitsentwicklung, Unterstützung und soziale Verantwortung.

Lernkultur und Unterricht

Der Unterricht am Kuninkaantien lukio ist geprägt von Ruhe, Konzentration und gegenseitigem Respekt. Trotz überwiegend lehrerzentrierter Phasen gelingt es den Lehrkräften, klare Strukturen zu schaffen, die den Schüler:innen Sicherheit geben. Transparente Lernziele und passende Übungen bereiten gezielt auf Tests und Abschlussprüfungen vor.

In den Naturwissenschaften fördern praktische Arbeitsumgebungen wie hohe Labortische und modernere Ausstattung experimentelles Lernen. Auffällig ist die hohe Eigenverantwortung der Schüler:innen, die durch das eigenverantwortliche Kurssystem gestärkt wird.

Erasmus+ als Motor europäischer Zusammenarbeit

Der Austausch mit den finnischen Kolleginnen und Kollegen war sowohl fachlich als auch menschlich bereichernd. Das Programm Erasmus+ schafft Räume, in denen Lehrkräfte voneinander lernen, neue Perspektiven gewinnen und Impulse für die eigene Schulpraxis mitnehmen können.

Das Job Shadowing in Espoo hat eindrucksvoll gezeigt, dass Digitalisierung, individuelle Förderung und Bildungsgerechtigkeit gemeinsam gedacht werden müssen. Die gewonnenen Erfahrungen werden in die Weiterentwicklung der digitalen und pädagogischen Konzepte an unserer Schule einfließen – stets mit dem Ziel, Lernen zukunftsorientiert, verantwortungsvoll und menschlich zu gestalten.

Espoo, 10. Oktober 2025                      Dr. Tobias Blaschke & Juliane Kriesmann

 

In stillem Gedenken an Juri Hennig (verstorben†), ehemaliger Schüler des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner und Austauschschüler am Kuninkaantien lukio in Espoo, Finnland, durch dessen Engagement und Herzlichkeit die Verbindung zwischen unseren Schulen ihren Anfang fand.

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