Seid Menschen!

„Versuche, dein Leben zu machen“ – an diesem Satz hängt eine Geschichte, die wir uns kaum vorstellen können. „Versuche, dein Leben zu machen“ war das letzte, was Margot Friedländer von ihrer Mutter hörte. Margot Friedländer, 1921 geboren, ist eine der letzten Holocaust-Überlebenden.

Sie lebte mit ihrem jüngeren Bruder Ralph und ihrer Mutter in Berlin. Als junges Mädchen arbeitete sie als Kostümschneiderin im jüdischen Kulturbund. 1943 wird ihr Bruder von der Gestapo festgenommen. Als die Mutter davon erfährt, beschließt diese Ralph hinterherzufahren und sich der Gestapo zu stellen. Sie lässt somit die damals 21-jährige Margot allein zurück, die von nun an auf sich selbst gestellt ist. Ein Jahr und drei Monate lebt sie ständig auf der Suche nach einer Zuflucht und einem sicheren Versteck. Sie kommt bei Gegnern des Nationalsozialismus unter, doch wird dann von Greifern entdeckt, vermutlich verraten von einer Bekannten aus dem Kulturbund. Sie wird in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht, wo sie ihren späteren Ehemann Adolf Friedländer wieder trifft. Ihn kannte sie schon aus dem Theater. 1946 wandert das Paar in die USA aus, wo sie für 50 Jahre in New York leben werden.

Nach dem Tod ihres Ehemannes 1997 schließt sich Margot einen New Yorker Schreibkurs an und 2008 erscheint ihre Autobiografie „Versuche dein Leben zu machen: als Jüdin versteckt in Berlin“. Im Alter von 88 Jahren entscheidet Margot Friedländer 2010 wieder nach Berlin zurückzukehren. Seitdem reist sie durch ganz Deutschland, um an Schulen, in Theatern und Ministerien aus ihrem Buch zu lesen.

So auch sind wir am 25. Januar 2024 dazu gekommen, zu einer Veranstaltung mit Margot Friedländer zu gehen. Sie fand anlässlich der weltweiten #WeRemember Kampagne des Jüdischen Weltkongresses (WJC) zum Holocaust-Gedenktag statt. Zahlreiche Schulklassen durften Margot Friedländer hier im Auditorium der James-Simon-Galerie erleben. Zunächst schauten wir uns den Film „Ich bin! Margot Friedländer“, der ihre Lebensgeschichte schildert, an. Anschließend konnten die anwesenden Schüler:innen Fragen stellen, die Margot Friedländer beantwortete. Dabei ging es um Themen wie ihre Gedanken, als sie erwischt und in das KZ gebracht wurde, und was sie uns Jugendlichen heute mitgeben möchte. Für uns Schüler war es sehr beeindruckend, wie klar sie über ihre Erinnerungen sprechen konnte, obwohl diese so bedrückend sind. Aus diesem Gespräch ging hervor, dass Margot Friedländer es als ihre Pflicht ansieht, ihre Erlebnisse und Erfahrungen weiterzugeben, damit es so ein schreckliches Ereignis wie den Holocaust nie wiedergeben wird. Unter anderem sagte sie, wir können die Vergangenheit zwar nicht mehr ändern, doch wir haben es in der Hand, dass es nie wieder passieren wird.

Natürlich gibt es auch unzählige Filme, Dokumentationen und Bücher über diese Zeit. Wir würden aber jedem, der die Chance dazu hat, einen Zeitzeugen oder eine Zeitzeugin kennenzulernen dazu raten diese wahrzunehmen, da es etwas völlig anderes ist, mit dieser Person persönlich zu reden, als wenn man sie nur in einem Film oder einer Dokumentation sieht. Dabei ist es nämlich möglich, Gefühle und Gedanken auszutauschen, was es einem viel leichter macht etwas aus dieser Erfahrung zu lernen und mitzunehmen. Und hier ist wohl das wichtigste: „Seid Menschen!“

Jule Friemel (10e)